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Der silberne Buddha

Der silberne Buddha

Titel: Der silberne Buddha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ecke
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neugierig?“
    Godwin Barnes zuckte mit den Schultern. Gelangweilt? Nein, eher eine Spur ungeduldig.
    „Ich habe prächtige Laune. Die muß ja nicht unbedingt laut sein, oder? Und was meine Neugier angeht, da haben Sie allerdings recht: Ich bin kein bißchen neugierig.“
    Mrs, Hattaway hielt ihm eine Brieftasche entgegen. „Hier“, sagte sie verdrießlich. „Sie lag zwischen dem Schrank und dem Gummibaum in Saal drei. Es sind fast achthundert Pfund drin. Muß ein stinkreicher Pinkel sein, dieser Mister Sum-merfield, daß er so einfach achthundert Pfund mit sich rumschleppen und verlieren kann.“
    Godwin Barnes, der Mrs. Hattaways finanzielle Situation kannte, lenkte freundlich ein. Während er die Brieftasche ungeöffnet in die Tasche seines Arbeitsmantels schob, sagte er: „Ich werde mich dafür einsetzen, daß Ihnen der Verlierer eine Belohnung zukommen läßt.“
    In Mrs. Hattaways pralle Wangen schlich sich das Rot der Verlegenheit, aber auch das der Hoffnung. „Sie glauben...“
    Barnes winkte ab. „Ob etwas daraus wird, kann ich nicht beurteilen. Aber versuchen werden wir es auf alle Fälle.“
    „Vielen Dank, Mister Barnes. Und das mit dem Miesepeter war nicht so ernst gemeint.“
    Godwin Bames nickte ungerührt. „Es wurde auch nicht so ernst aufgenommen!“
    Als er den Haupteingang hinter den drei Frauen abschloß, war es 21 Uhr 05. Wie immer an jedem Abend kontrollierte er, ob alle Ausstellungssäle wie vorgeschrieben ordnungsgemäß verschlossen waren. Dann löschte er das Licht in der Eingangshalle und wandte sich dem Treppenaufgang zu. Schon auf der fünften oder sechsten Stufe verhielt er im Schritt, murmelte etwas und kehrte wieder um.
    Er würde sich eine Flasche Bier mit nach oben nehmen. Als er die Tür in den Unterstock öffnete, stutzte er. Wieso brannte das Licht? Hatte er es brennen lassen? Nein, das konnte nicht sein. Er war ja heute noch gar nicht unten gewesen. Er runzelte die Stirn und beschloß, gleich am Montag ein ernstes Wort mit Sir Ernest zu sprechen. Sicher ging das wieder auf das Konto von diesem Mister Landsworth, der unten im Bibliothekslager arbeitete. Schon allein der Gedanke an den stets geistesabwesenden und zerstreuten jungen Mann brachte ihn auf. Noch nie hatte er es mit einem solch vergeßlichen Menschen zu tun gehabt. Larry Landsworth verfügte auf dem Gebiet der Vergeßlichkeit über einige herausragende Ergebnisse. So war er zum Beispiel letzte Woche ohne Jackett zur Arbeit erschienen. Dafür trug er über dem Oberhemd einen Wettermantel. Zweimal schon zählte die spindeldürre Miß O’Brien, die ihm gegenüber am gleichen Tisch arbeitete, zu den Opfern seiner Zerstreutheit. Als sie eines Vormittags in die Bibliothek im obersten Stockwerk gerufen wurde, aß er ihr das gesamte Frühstück weg, das sie, ausgepackt, auf dem Tisch hatte liegen lassen. Obwohl er bei ihrer Rückkehr noch kaute, stritt er zuerst ab, der Übeltäter gewesen zu sein. Als sie jedoch auf das Butterbrotpapier in seiner Hand deutete, erkannte er den Tatbestand.
    Wie von Spinnen gejagt (vor ihnen fürchtete er sich noch mehr als vor Gewittern) stürzte er aus dem Bibliothekslager, hetzte über den Gang, die Treppen hinauf und hinaus zum Hartford-Haus. Eine Viertelstunde später kehrte er zurück. Keuchend, völlig außer Atem, präsentierte er der sprachlosen Maggie O’Brien zwei dampfende Hot Dogs, eine Tüte Pommes frites mit Ketchup (von dem ihr immer übel wurde, was er bereits wieder vergessen hatte) und eine Tüte Trinkschokolade. Ein anderes Mal stülpte er sich Miß O’Briens Hütchen (mit zwei aufgestickten Stiefmütterchen) auf den Kopf und ließ ihr dafür seinen alten, zerbeulten Filzhut zurück.
    Wer sonst konnte das Licht vergessen haben auszuschalten?
    Godwin Barnes, inzwischen vor seinem Abstellraum angelangt, suchte den richtigen Schlüssel heraus und warf, während er diesen ins Schloß schob, einen geringschätzigen Blick auf die Tür mit dem Schild „Bibliothekslager“.
    Er klappte die beiden Papphälften zurück und zog zwei Flaschen heraus. Schon im Gehen begriffen, fuhr er plötzlich herum und starrte in den Karton.
    „Ich träume doch nicht...“ sagte er laut und kniff kurz und heftig die Augen zusammen; doch die sechs leeren Fächer in dem Karton veränderten sich nicht.
    Zwei Flaschen hatte er eben entnommen, zwei vorgestern, als das Bier geliefert wurde.
    Es gab keinen Zweifel: Zwei Flaschen fehlten.
    Godwin Barnes fühlte eine eigenartige Beklemmung, ja,

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