Der silberne Buddha
getrocknete Blumen schließlich nicht mit Briefmarken und Ersttagsbriefen vergleichen könne, und erwiderte statt dessen mit schiefem Lächeln: „Sicher ein interessantes Gebiet.“
„Das ist es bestimmt. Und es gibt darunter Pflanzen, die sind ebenso teuer wie eine Briefmarke aus geringer Druckauflage.“
„Nein!“ staunte Mr. Case. Das hätte er wirklich nicht gedacht. Getrocknete Blumen so teuer wie Briefmarken. Wenn er das in seinem Club erzählen würde... Lieber nicht, vielleicht hielt man ihn dann für übergeschnappt... Seine Gedanken waren noch immer bei der verwelkten Flora, als sein Besucher bereits mit einer neuen Überraschung aufwartete: Er zog eine Hundertpfund-Note aus der Tasche, hob sie kurz hoch und plazierte sie dann auf dem Tisch zwischen zwei Stapeln Ersttagsbriefen. Dabei trat in seine Augen ein seltsam gespannter Ausdruck.
„Mister Case, diese hundert Pfund schickt Ihnen das Hartford-Haus.“
„Das Hartford-Haus?“ wiederholte Albert Case verständnislos.
„Genauer gesagt: Sir Ernest Caven. Er tut es auf unsere Empfehlung hin. Wir brauchen Rückenfreiheit!“
„Ich verstehe kein Wort, Inspektor.“ Man sah es Mr. Case an, daß er die Wahrheit sprach. Han Moon beugte sich etwas vor. Gerade so viel, daß man merkte, wie ungeheuer vertraulich seine Information war.
„Ich bin ermächtigt, Ihnen in jeder Hinsicht reinen Wein einzuschenken, Mister Case!“ Albert Case spürte unter den starren Blicken Mißbehagen und Beklemmung. „Wir, das sind Sir Ernest und Scotland Yard, bitten Sie, mit uns zusammenzuarbeiten. Eine internationale Gaunerbande hat es auf das Hartford-Haus abgesehen. Es handelt sich dabei um eine Gruppe von Hongkong-Chinesen unter Regie eines Canadiers. Sie richten ihr Augenmerk in erster Linie auf den goldenen Buddha und noch einige weitere wertvolle Stücke der Ausstellung.“
Albert Case fuhr sich mit dem Zeigefinger zwischen Hals und Hemdkragen. Das Ungeheuerliche, was er da aus dem Munde Inspektor Han Moons hörte, nahm ihm den Atem.
„Aber wie soll ich helfen?“ würgte er bleich hervor. Allein der Gedanke an Gewalt verursachte bei ihm einen schüttelfrostähnlichen Zustand.
„Sie sollen unauffällig verreisen. Ebenso wie Ihre Kollegen und Sir Ernest. Sämtliche Posten werden von Beamten des Yard übernommen! Für die Reise sind diese hundert Pfund gedacht. Kein Mensch darf allerdings etwas von Ihrem Aufbruch und von Ihrem Ziel wissen. Hätten Sie so eine Adresse? Wenn nicht, würde Ihnen Scotland Yard helfen.“
Albert Case schüttelte benommen den Kopf.
„Ich könnte zu meiner Schwester fahren. Die wohnt in Dorchester, sie hat eine Gärtnerei. Wie lange soll ich denn bleiben?“
„Wir glauben, daß der Spuk in einer Woche vorbei ist und wir dann die Gauner gefaßt haben.“
„Und wann müßte ich fahren?“
„Sofort, Mister Case!“
„Sofort?“
Han Moon nickte. „Es ist eine große Organisation, die hinter der Bande steckt. Infolgedessen wäre es durchaus möglich, daß man auch Sie beobachtet!“
Albert Case war viel zu aufgeregt, um näher über diese Worte seines Besuchers nachzudenken. Dann fiel ihm Jenny ein. Sie war es gewöhnt, daß er sie täglich besuchte. Jeden Abend bisher hatte er von 18 bis 19 Uhr an ihrem Bett gesessen.
„Ich muß vorher aber noch ins Krankenhaus und meiner Frau Bescheid sagen. Sie würde sich sonst Sorgen machen.“
Han Moon runzelte ein wenig ungeduldig die Stirn.
„Mister Case, ich glaube, Sie haben die Situation noch nicht richtig begriffen. Wir wollen Vorsorge treffen, daß Ihnen nichts geschieht. Man ist auf seiten der Bande wenig zimperlich, wenn es darum geht, unbequeme Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Ihre Frau über den Fall zu unterrichten, ist in dieser Lage eine Aufgabe des Yard.“
Hilflos hing Albert Case in seinem Stuhl. Wieder versäumte er es, über den Sinn aller Worte Han Moons nachzudenken. Nur der Satz, der sich mit dem „Wegräumen der Hindernisse“ befaßte, klang in ihm mit ebenso unheimlichem wie unüberhörbarem Echo nach.
Er sah auf das heillose Durcheinander im Zimmer. Allein um hier halbwegs Ordnung zu schaffen, würde er mindestens zwei Stunden brauchen.
Han Moon deutete seine Blicke richtig. Er machte eine weitausholende Armbewegung und empfahl: „Das hier lassen Sie am besten liegen, wie es ist. Aufräumen können Sie, wenn Sie von Ihrer Schwester zurückkommen!“
Doch da kam er schlecht an bei Albert Case.
„Ich muß die Kästen in den Stahlschrank
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