Der silberne Sinn
Staaten von diesem selbst geschmiedeten Schwert heimgesucht und dabei tragischerweise wieder einmal Unschuldige niedergestreckt worden.«
Sie nickte. »Anstatt aus Jonestown eine Lehre zu ziehen und sich die Unzuverlässigkeit ihrer Methoden einzugestehen, haben Iceberg und Flatstone erneut mit der Empathie herumgespielt. Sie glaubten, den Anführern der Mudschaheddin beibringen zu können, wie man aus Menschen selbstmörderische Killer macht, die trotzdem noch zu kontrollieren sind. Als sie dann abermals scheiterten, startete man ein Ablenkungsmanöver. Die Medien berichteten weltweit von den Milzbrandanschlägen, und alle Welt verfluchte die Terroristen. Dabei stammten die Anthrax-Erreger aus unseren eigenen Labors.«
»Wenn sie auf ihrem Weg fortfahren, werden sie den Silbernen Sinn niemals beherrschen«, sagte Saraf mit düsterer Miene und wandte sich Carl zu. »Nicht ohne Grund hast du deine Enkelin vor dunklen Mächten aus dem Geisterreich gewarnt. Es gibt verschiedene Wege, auf die Gefühle von Menschen einzuwirken, und die meisten von ihnen sind gefährlich. Wir Silbernen wussten das schon lange, deshalb haben wir nie Zaubertränke, Magie, nicht einmal die Trance als Hilfsmittel gesucht – das eine wie das andere verlangt die Aufgabe des eigenen Willens, wodurch man leicht in die Gewalt finsterer Mächte gerät. Du und deine Familie, ihr habt die Folgen solchen Leichtsinns zu spüren bekommen. Männer wie Sam Iceberg oder Jefferson Flatstone mögen Menschen verführen können, aber sie kennen die Geheimnisse des Fühlsinns nicht. Deshalb geraten ihre Beeinflussungen immer wieder außer Kontrolle.«
»Anscheinend lassen sie sich durch ihre Rückschläge nicht entmutigen«, brummte Ed. »Ich kann mich noch gut an die Pressemeldungen nach den Terroranschlägen vom 11. September erinnern. Die US-Regierung beschloss, ›jede Möglichkeit einer neuen Kriegsführung auszuloten, um den internationalen Terrorismus zu bekämpfen.‹ Dabei hat man wohl die Büchse der Pandora geöffnet. Seitdem sind sie hektisch um Schadensbegrenzung bemüht. Von einem Gegenmittel ist da die Rede, um die gerufenen Geister wieder in die Büchse zu scheuchen. Leider konnte mir bisher niemand verraten, worum es sich dabei handelt.«
»Das passt genau in unser Szenario.«
»Nicht nur das. Es deckt sich auch auffällig mit der neuerlichen Annäherung, die es kurz nach den Terroranschlägen zwischen der Firma – also dem CIA – und Jeff Flatstone gegeben hat. Angeblich ist das geheime Projekt ›Stheno‹ wiederbelebt worden. Wusstet ihr übrigens, dass Stheno in der griechischen Mythologie Medusas Schwester war? Beide konnten Menschen durch Blicke versteinern.«
Yeremis Kiefer klappte herunter. »Das kann kein Zufall mehr sein! Wer ist diese Kontaktperson?«
»Das darf ich euch im Augenblick noch nicht verraten, und vielleicht ist es auch besser so – vergesst nicht, was mit Cedric Youngberg geschehen ist. Zumindest behauptet diese Quelle, das unter Doktor Al Learys Leitung stehende Forschungsvorhaben ›Silbermann‹ sei ein offizieller Ableger der geheimen CIA-Abteilung. Außerdem bestätigt sie, was wir schon geahnt haben: Jefferson H. Flatstone war einer der Sicherheitschefs von Jim Jones.«
»Das Phantom«, flüsterte Yeremi.
Saraf fragte: »Wer, abgesehen von den Terroristen, könnte in eurem Land aus der Bluttat vom 11. September Nutzen gezogen haben?«
Zunächst erntete er für seine Kühnheit nur entrüstete Blicke. Aber dann räumte Ed widerstrebend ein: »Niemand hat am internationalen Krieg gegen den Terror so gut verdient wie die Rüstungsunternehmen.«
»Du meinst die amerikanischen Waffenschmieden?« Saraf nickte, als wäre seine Frage damit erschöpfend beantwortet.
Die Übrigen in der Runde tauschten ungläubige Blicke. Carl fand als Erster die Sprache wieder.
»Soll der ganze Zauber um die empathische Telepathie nur eine Promotionkampagne für die US-Rüstungskonzerne gewesen sein? Das kann ich mir kaum vorstellen.«
Yeremi wiegte den Kopf hin und her, saugte ein wenig an ihrer Unterlippe und sagte dann: »Es ist vielleicht ein neuer Aspekt, der für den Privatunternehmer in Flatstones multipler Persönlichkeit eine große Versuchung darstellen könnte. Als ich vorhin sagte, die Vereinigten Staaten hätten Afghanistan niemals der UdSSR überlassen wollen, hatte ich die Unterhaltung in Königin Wilhelminas Tulpengarten im Sinn…«
»Du redest von diesem Accolon?«, hakte Ed nach.
»Ja. Er sagte etwas,
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