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Der silberne Sinn

Titel: Der silberne Sinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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verstummte jäh.
    Die Felswand bewegte sich. Ein unregelmäßig gezackter Ausschnitt, kaum größer als Saraf, zog sich langsam in den Berg zurück. Yeremi ahnte, was da vor sich ging. Die zuvor gedrückten Segmente mussten einen Mechanismus in Gang gesetzt haben, der zunächst ein Gegengewicht mit Sand oder Wasser gefüllt hatte, bis es schwer genug geworden war, um die Steintür zurückzuziehen. Ähnlich raffinierte Konstruktionen hatten die alten Ägypter gebaut, meist jedoch, um Gräber fest zu verschließen.
    Endlich blieb die Tür stehen. Zu beiden Seiten hatte sich ein Spalt geöffnet, der breit genug war, um einen korpulenten Mann durchzulassen. »Hier beginnt der geheime Weg zum heiligen Schatz zweier Völker«, sagte Saraf feierlich.
    »Na, dann nichts wie rein«, rief Flatstone.
    Ohne auf Madalin zu achten, lief Saraf zu Yeremi und umarmte sie ein weiteres Mal. Sie legte ihre gefesselten Arme wie eine Schlinge über seinen Kopf und küsste ihn.
    »Pass auf dich auf, Saraf«, flehte sie.
    »Das werde ich. Und du – denke daran, wer du bist«, flüsterte er.
    »Dafür haben Sie später noch genug Zeit«, drängte der Stheno-Chef.
    Widerstrebend löste sich Yeremi aus Sarafs Armen. Während er sich rückwärts gehend von ihr entfernte, hielten ihre Blicke einander noch fest. Was hatte er mit seiner letzten Äußerung gemeint?
    Saraf drehte sich um und trat in die Höhle, gefolgt von Madalin und Flatstone. Erst als ihre Schritte verhallt waren, wandte Yeremi sich ihrem Bewacher zu und erschrak.
    Sie kannte es nur zu gut, dieses lüsterne Grinsen auf Learys Gesicht.
     
     
    Saraf ließ sich viel Zeit, während er den Tunnel durchschritt, der ihn an die Gänge in den Höhlen des Orion erinnerte. Seine Linke umfasste die Taschenlampe, die Rechte beschäftigte sich mit den unterschiedlich großen und verschieden geformten Korallen der Halskette. Mehrmals musste er an Quergängen entscheiden, welcher Weg der richtige war. Die Sorge um Yeremi machte es ihm nicht leicht, sich ganz auf seine Aufgabe zu konzentrieren. Aber das war notwendig, denn der kleinste Fehler konnte tödlich enden. Hinter ihm lief Madalin, der ihn keinen Moment aus den Augen ließ. Unvermittelt blieb Saraf stehen.
    »Was ist?«, fragte Flatstone von hinten.
    »Hier ist eine Falle.«
    »Und was gedenken Sie dagegen zu tun?«
    »Ich muss darüber nachdenken.«
    »Soll das heißen, Sie wissen nicht…?«
    »Jefferson Flatstone«, unterbrach Saraf den Stheno-Chef, »ich kann Sie hier vorbeiführen, nur nicht auf die… vorgeschriebene Weise.«
    Flatstone entspannte sich. »Wenn es darum geht, Vorschriften zu übertreten, nur zu.«
    Saraf blickte sich um. Neben dem Stheno-Chef lag ein Stein, so groß wie eine Honigmelone. Er zeigte auf den Fels und fragte Madalin: »Darf ich?«
    Der Rumäne sah seinen Boss an. Dieser nickte.
    Saraf lief an der Pistolenmündung vorbei zu Flatstone und packte den Stein. Als er ihn anhob, spürte er ein Ziehen in der Seite – die Schusswunde machte sich bemerkbar. Unter normalen Umständen hätte er das Gewicht einhändig gestemmt. Mit seiner Last kehrte er zu der vorherigen Stelle zurück, holte weit aus und schleuderte den Brocken etwa drei Schritte weit in den Tunnel hinein. Als der Stein aufschlug, geschah etwas buchstäblich Erschütterndes: Zuerst brach er im Boden ein, als bestehe dieser nur aus dünnem Eis, dann löste sich aus der rechten Wand ein riesiger Steinquader und rutschte wie ein Rammbock auf die gegenüberliegende Tunnelwand zu. Krachend kam er dort zum Stillstand. Das ganze Gewölbe schien zu zittern. Staub rieselte zu Boden. Jeder unbedarfte Eindringling wäre von der tonnenschweren Wucht des Felsblocks zermalmt worden.
    Saraf drehte sich zu den beiden Männern um. Madalin wartete auf weitere Anweisungen. »Und wie geht es jetzt weiter?«, fragte Flatstone. Der Schrecken stand ihm ins Gesicht geschrieben.
    Der Silbermann leuchtete auf den Quader – darin waren Vertiefungen eingemeißelt: eine steinerne Leiter –, wandte sich wieder seinen zwei Bewachern zu und antwortete gleichmütig: »Wir klettern über den Block und gehen zur nächsten Falle.«
     
     
    Die letzten Jahre waren nur ein Wimpernschlag. Seit jener Nacht in ihrer Studentenbude hatte sich nichts geändert – so jedenfalls empfand Yeremi die augenblickliche Situation. Sie hatte den Reflektor ihrer Taschenlampe abgeschraubt und sie wie eine Kerze zwischen sich und Leary gestellt. Sechs oder acht Schritte von der Höhlenöffnung

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