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Der silberne Sinn

Titel: Der silberne Sinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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wird gut.« Seine beruhigende Stimme wurde immer leiser, und als er annehmen konnte, von Flatstone und den anderen nicht mehr verstanden zu werden, flüsterte er: »Wir sehen uns wieder am Sitz der Sonne.« Mit einem zärtlichen Kuss auf den Mund löste er sich von ihr.
    Yeremi kämpfte gegen die Tränen an. Ohne rechten Erfolg.
    Der Rumäne holte indessen drei Walkie-Talkies aus seinem Rucksack, reichte Leary eines davon, das andere gab er Flatstone. Der wiederum erteilte Anweisungen. Madalin solle nicht zögern, Saraf zu erschießen, wenn dieser irgendwelche Tricks versuche, egal ob mit seiner empathischen Telepathie oder sonst wie. Dem Psychologen befahl er, Yeremi zu fesseln.
    Auch für diesen Zweck hielt Madalins Rucksack die geeigneten Utensilien bereit. Der Rumäne förderte ein Nylonseil zu Tage, zog unter seinem Hosenbein ein martialisch anmutendes Kampfmesser hervor, schnitt zwei Stücke vom Seil ab und reichte sie Leary. Dieser nahm sie eher lustlos entgegen und machte sich daran, Yeremis Füße und Hände zu fesseln. Sie bemerkte, wie Saraf die Prozedur mit starrem Blick verfolgte. Einen Moment lang schauderte sie, als Leary sich mit ihren Handgelenken beschäftigte und sein Gesicht dem ihren ganz nahe kam. Nachdem sie jedoch die Gefühle, die der Duft seines Eau de Toilette stets in ihr hochkochen ließ, abgekühlt hatte, fiel ihr der gelangweilte Ausdruck seiner Augen auf. Er arbeitete zwar langsam, achtete jedoch kaum auf die losen Stricke. Yeremi musste die Arme auseinander drücken, um die Fesseln nicht sogleich zu verlieren. Sie spähte zu Saraf hinüber, dessen Miene nicht die geringste Regung verriet.
    »Sind Sie endlich fertig?«, fragte Flatstone ungeduldig.
    Leary bejahte.
    »Wurde auch Zeit. Sollte Jerry versuchen zu fliehen, wissen Sie, was Sie zu tun haben.«
    Der Psychologe nickte. Eine Hand verschwand unter der Jacke und zog einen schwarzen Revolver hervor. So gewappnet, gönnte Leary sich ein triumphierendes Grinsen, das an Yeremis Adresse gerichtet war. Die Gefesselte wandte sich angewidert von ihm ab.
    »Dann lassen Sie Ihr ›Sesam öffne dich‹ mal hören«, befahl Flatstone.
    Saraf zögerte einen Moment, bis ihm der Sinn dieser Botschaft aufging. Er stellte sich auf einen flachen, oval geformten Stein, der unmittelbar vor der Felswand lag, und begann mit der Taschenlampe die Ritzen und Vorsprünge abzusuchen. Nach einer Weile berührten seine Finger ganz leicht ein unregelmäßig geformtes Felsstück, dann ein weiteres. Erst da bemerkte Yeremi die vielen Sprünge in der Wand. Sie kannte die in Cuzco immer noch zu bewundernde Kunst der Inka, Felsen ohne Mörtel fast nahtlos aufeinander zu fügen, selbst wenn die Steine nicht streng quaderförmig waren. Der geschickte Umgang mit dem harten Material reichte jedoch wesentlich weiter zurück. Die atlantische Westkultur, deren Menschen man für die Kulturbringer Amerikas und die eigentlichen Erfinder der Pyramiden hielt, war auch unter einem anderen Namen bekannt, der sich von den griechischen Wörtern für »großer Stein« ableitete: Megalithkultur. Sah diese Felswand nur so aus wie erodiertes Gestein? War sie in Wirklichkeit das geniale Werk der Weißen Götter?
    Sarafs Hände übten keinen erkennbaren Druck auf die kleinen und großen Flächen des fast senkrechten Felsens aus. Vermutlich zählte er in Gedanken etwas ab. Unvermittelt spreizte er die Arme und presste die Handballen gegen zwei weit auseinander liegende Stellen der Wand. Yeremi hörte ein knirschendes Geräusch, sah sekundenlang zwei etwa handtellergroße Segmente, die wie gewaltige Knöpfe in einer Schalttafel tief in die Wand hineinragten und sich plötzlich wieder langsam und mit leisem Knirschen nach außen bewegten, bis sie wie zuvor mit der rauen Oberfläche bündig abschlossen. Unfassbar! Sogar nach fünfhundert Jahren funktionierte dieser verborgene Mechanismus noch wie am ersten Tag.
    Oder etwa nicht?
    »Es rührt sich nichts«, sagte Flatstone gereizt.
    »Die Geduld ist jedes guten Gedächtnisses Schatzmeister«, antwortete Saraf, ohne den Blick von der Wand zu nehmen. So verharrte er mehrere Minuten.
    Abgesehen von Saraf bewahrte einzig Madalin die Ruhe. Er stand mit seiner Pistole da wie die Nachbildung eines Bankräubers in Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett. Die Geduld der beiden anderen Männer drohte zu erlahmen. Learys Waffenhand wackelte nervös hin und her. Flatstone trat von einem Bein aufs andere.
    »Was soll das werden…?«, fauchte er und

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