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Der silberne Sinn

Titel: Der silberne Sinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Diensten von Mental Health stand und im Verlaufe der Nacht erstaunliche Dinge über sein Spesenkonto erzählt hatte. Seine beiden Kollegen, Al Leary und der Botaniker Dave Clarke, waren bereits drei Tage zuvor nach Georgetown aufgebrochen, um in der Hauptstadt Guyanas letzte Vorbereitungen für die Expedition zu treffen. Damit hatte sich Yeremi eine Galgenfrist von zweiundsiebzig Stunden verschafft.
    Jetzt wappnete sie sich für ein Wiedersehen, auf das sie gerne verzichtet hätte. Leary und Clarke erwarteten ihre Kollegen in der Empfangshalle des Timheri Airport.
    »Habt euch einen heißen Tag für die Ankunft ausgesucht«, begrüßte Al Leary seine Expeditionsleiterin. Er bemühte sich um einen lockeren Ton, wenngleich Yeremi die Anspannung in seiner Stimme nicht entging.
    Sie verzog das Gesicht zu einem schadenfrohen Grinsen. »Und dazu der sanfte Nordostwind. Prächtig, nicht wahr! Aber mach dich erst auf den Dschungel gefasst: Sauna von morgens bis tief in die Nacht.«
    »Du scheinst dich ja darauf zu freuen.«
    »Natürlich. Du etwa nicht?«
    Leary musterte sie mit säuerlicher Miene.
    »Habt ihr Quartier gemacht?«, wechselte Yeremi in geschäftsmäßigem Ton das Thema.
    »Das Hotel hat die Reservierungen verschlampt. Es ist bis zur Besenkammer ausgebucht: Ärztekongress. Aber ich konnte im Pegasus für uns Zimmer bekommen. Der Schuppen ist zwar reichlich exklusiv, aber die zwei Nächte werden unser Budget nicht sprengen. Ich hoffe, du bist einverstanden.«
    Yeremis Hals war schlagartig ausgetrocknet. Das Pegasus-Hotel! Der Name tauchte wie ein unheilvolles Zeichen aus ihrem trüben Gedächtnistümpel auf. Oder erinnerte sie sich nur an Einzelheiten, die sie als Teenager über den November 1978 gelesen hatte? Unmittelbar vor dem Jonestown-Massaker waren Congressman Leo J. Ryan und seine Begleiter im Pegasus abgestiegen. Als der Politiker schon längst nicht mehr lebte, verbrachte Yeremi hier eine unruhige Nacht, bevor Opa Carl gekommen war und sie…
    »Also hast du nichts dagegen?«, fasste Leary nach, weil Yeremi ihn nur angestarrt, aber kein Wort hervorgebracht hatte.
    Sie schluckte. »Was sollte ich dagegen haben?«
     
     
    Yeremi fühlte sich wie gerädert. Aber sie verspürte auch Genugtuung. Sie hatte einen Sieg errungen und die zwei Nächte im Pegasus-Hotel überstanden, ohne in einem seelischen Tief zu versinken. Vielleicht würde es ihr doch gelingen, die Geister der Vergangenheit zurück in den Dschungel von Guyana zu locken, um sie ein für alle Mal hinter sich zu lassen.
    Als sie am Dienstagmorgen ihr Gepäck in zwei große blaue Eastpak-Rucksäcke verstaute, fiel ihr auch die Liste der Expeditionsteilnehmer in die Hand. Nachdenklich betrachtete sie die Namen auf dem Blatt.
Prof. Dr. Yeremi Rose Bellman, Anthropologin (Expeditionsleiterin), UC Berkeley
Dr. Al Leary, Psychologe (stellvertretender Expeditionsleiter), Mental Health (San Francisco)
Irma Block, Fotografin, National Geographic Society (Washington, D. C.)
Gil Burne, Astroarchäologe, UC Los Angeles
Dave Clarke, Botaniker, Mental Health (San Francisco)
Jeff Josiah Greenleaf, Archäologe, UC Berkeley
Abbatissa Jerilynn Hamilton-Longhorne, Anthropologin, UC Berkeley
Dr. Percey Montague Lytton, Mediziner (Expeditionsarzt), UC San Diego
Thomas Sose, Wissenschaftsministerium Guyana (Georgetown)
Dr. Norryl Unsworth, Pharmakologe, Mental Health (New York)
     
    Dies waren also die Menschen, denen sie in den nächsten Wochen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sein würde. Einige hatte sie bereits während früherer Exkursionen schätzen gelernt: die aufmerksame Irma Block, den stoischen Engländer Percey Lytton, das junge Archäologietalent J. J. Greenleaf und die legendäre Abbatissa Jerilynn Hamilton-Longhorne, die ihren Namen nur aussprechen konnte, weil ihr Gehirn aufgrund einer Laune der Natur zu ungewöhnlich verschlungenen Gedankengängen fähig war – der Rest der Welt nannte die zähe kleine Fünfzigjährige schlicht Abby.
    Die anderen Teammitglieder kannte Yeremi bisher nur aus den Dossiers, die sie von Professor McFarell und Jefferson H. Flatstone bekommen hatte, sowie von kurzen, im Vorfeld der Reise geführten Gesprächen. Alle Männer waren Profis, in der Feldforschung erfahren und neben ihrem Spezialgebiet in zusätzlichen Fertigkeiten ausgebildet. Norryl legte viel Wert auf seinen Ruf als Gourmetkoch, was bei einem Pharmakologen zwangsläufig Skepsis hervorrief.
    Die Hinzunahme von Thomas Sose musste als Konzession an die

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