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Der silberne Sinn

Titel: Der silberne Sinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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belegen.«
    »Was sind das für Funde?«
    »Hüben wie drüben wurden Kulturpflanzen wie die Gartenbohne und die Banane angebaut. Die Maya, Azteken und Olmeken hielten sich Hunderassen, die eine verblüffende Ähnlichkeit mit den mumifizierten Grabbeigaben der alten Ägypter aufweisen; ähnlich verhält es sich mit einbalsamierten Vögeln. Die Schlange wurde von Ägyptern und Phöniziern ebenso wie von den Maya und Azteken verehrt. Im dynastischen Ägypten galt die Uräusschlange, die heilige Natter über der Stirn des Pharao, als Sinnbild uneingeschränkter Macht. Bei dem phönizischen König Gebal schlängelt sie sich um das Zepter; die drei blonden bärtigen Hauptgötter der frühen amerikanischen Hochkulturen hießen Quetzcalcoatl – was in der Aztekensprache ›gefiederte Schlange‹ bedeutet –, Kukulcan – in Maya: ›die mit Federn bedeckte Schlange‹ – und Gucumatz – das ist Quiche und steht für ›die grün gefiederte Schlange‹.«
    »Erinnert mich an die ›Urschlange‹ aus der Apokalypse.«
    »›… welche der Teufel und der Satan ist‹, würde mein Großvater hinzufügen. Es ist sein Steckenpferd, vor dunklen Mächten zu warnen. Zugegeben, es gibt kein ergiebigeres Gebiet als die Religion, um die Verbindung zwischen den Kulturen diesseits und jenseits des Atlantik nachzuweisen: Auf beiden Seiten wurden Sonnentempel und Stufenpyramiden nach astronomischen Gesichtspunkten errichtet. Das ägyptische Ankh, das Henkelkreuz, findet sich auch im olmekischen La Venta, im toltekischen Teotihuacan, im Palenque der Maya und an weiteren Plätzen. Aus mexikanischen Gräbern hat man Tausende altamerikanischer Terrakottaköpfchen mit keltischer, semitischer und ägyptischer Physiognomie geborgen. Der ägyptische Gott Bes, der in Altmesopotamien seine Entsprechung in dem dämonenhaften Chumbawa findet und im Gilgamesch-Epos erwähnt wird, ist auch im Maya-Gebiet Guatemalas und Mexikos gefunden worden – als Maske oder figürliche Darstellung. Der Name des phönizischen Sonnengottes Baal taucht häufig an den amerikanischen Küsten auf. Einige Linguisten behaupten sogar, es gebe erstaunliche Parallelen zwischen der Maya-Sprache und dem Semitischen. Manches davon kommt mir an den Haaren herbeigezogen vor, aber in der Schrift sind die Übereinstimmungen kaum zu leugnen, etwa mit den keltischen Runen und deutlicher noch bei einem Vergleich altägyptischer Hieroglyphen mit denen der Mic-mac-Indianer. Es gibt so viele Entsprechungen, dass man sie kaum aufzählen kann: halbmondförmiger Brustschmuck, Darstellungen von Elefanten…«
    »In Amerika?«
    »Auf einer kleinen in Ecuador gefundenen Tafel, die außerdem altlybische Schriftzeichen trägt. Du kannst nehmen, was du willst – die Kunst des Mumifizierens, der Trepanation…«
    »Der was?«
    »Schädelbohren. Man hat in Peru genauso wie in Ägypten oder auf den Kanaren Schädel gefunden, die operativ geöffnet worden sind und deutliche Merkmale einer Vernarbung zeigen.«
    »Das heißt, die Patienten haben den Eingriff überlebt.«
    »Zumindest eine gewisse Zeit.«
    Block war sichtlich beeindruckt.
    Yeremi blickte nachdenklich auf das im Sonnenlicht glitzernde Wasser des Kamoa hinaus. Ein Stück stromaufwärts schoss ein Eisvogel im Sturzflug herab und suchte mit einem silbrigen Fischlein im Schnabel das Weite. In diesem Abschnitt war der Fluss ungewöhnlich flach. An einigen Stellen konnte man bis auf den Grund sehen. Auf den Ästen eines nahen Baumes am Südufer hockten grüne Ibisse nebeneinander wie eine greise Jagdgemeinschaft. Unvermittelt flatterten die Vögel davon.
    Yeremi stutzte. Was hatte die Ibisse aufgeschreckt?
    Gerade wollte sie Wachanas Meinung einholen, als vom Ufer her ein lautes Knacken ertönte. Ihr Kopf fuhr herum. Einen Steinwurf weit flussaufwärts bewegten sich die Blätter der Böschung. Wieder knackten Äste. Und dann brach eine Kakophonie von Geräuschen los, die ihr, ungeachtet der brütenden Hitze, eine Gänsehaut verursachte: zuerst ein tiefes Grollen, dann ein Fauchen und Kreischen.
    »Was ist das?«, rief Yeremi entsetzt.
    »Ein Jaguar«, antwortete Wachana hinter ihr. »Er kämpft um sein Leben.«
    »Sind wir in Gefahr?« Das Führungsboot trieb direkt auf die Stelle zu.
    »Nicht, wenn wir in der Mitte des Flusses bleiben.«
    »Sind es zwei Raubkatzen?«
    »Nein.«
    »Bist du sicher?«
    »Da brüllt nur ein Jaguar. Sein Gegner ist stumm wie der Tod.«
    Das Kanu befand sich beinahe auf Höhe des Kampfgeschehens, aber Yeremi

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