Der silberne Traum - Die Chroniken der Nebelkriege ; 4
Rüstringen Euren geflügelten Schoßhund.«
»Vorsicht, Spitzohr!« Dystariel fuhr die Krallen aus. »Dieser Schoßhund steht kurz davor, deine Knochen hinten im Garten zu verbuddeln.«
»Und was kann ich dagegen unternehmen?«, wollte Eulertin wissen. Doch Tandarin konnte ihm nicht mehr antworten, da jenseits der Treppe, die zum dritten Gewölbe führte, Nikks entsetzter Schrei zu hören war. Fi und Magister Eulertin stürmten aufgeschreckt unter den Marionetten hindurch die Stufen hinunter.
Am Fuß der Treppe nahm ein Becken mit schwarzem Wasser den kompletten Kellerraum ein. Nikks Laterne stand auf der untersten Treppenstufe. Der Prinz hockte über das Wasser gebeugt daneben. »Dieser Auswurf eines Kraken! Das wird er bitter bereuen!«
Vor der untersten Stufe trieb eine nackte Frauenleiche im Wasser. Ihr Kopf war kahl geschoren und Fi entdeckte erst jetzt den Fischschwanz. »Ist das eine Meernymphe?«
»Wären wir nur etwas früher gekommen.« Nikks Augen waren gerötet. »Finsterkrähe muss Ionope unmittelbar vor seiner Abreise getötet haben. Als hätte er nicht vor, an diesen Ort zurückzukehren.«
»Ionope? Du kennst die Tote?«, fragte Fi.
Nikk erhob sich verbittert. »Ja, sie war die jüngste Tochter Effreidons. Ich begreife das alles nicht. Mein Onkel wird dem Hexenmeister doch nicht sein eigen Fleisch und Blut ausgeliefert haben.«
»Ja, warum hätte er das tun sollen?« Fi sah die tote Nymphe beklommen an.
»Diese Frage wird wohl keiner von uns beantworten können«, krächzte hinter ihnen der Puppenmacher. »Aber ich kann euch verraten, warum die Nixe kahl geschoren ist. Morbus benötigt ihr Zauberhaar für die Marionetten.« Der alte Elf stützte sich zittrig auf den Narrenstab. »Nixenhaare sind von großer magischer Kraft erfüllt und lassen sich für mancherlei Zweck missbrauchen. Unter anderem eignen sie sich ideal als Fäden für die Zaubermarionetten.«
»Du elende Qualle!« Nikk stürmte an Fi vorbei die Treppe hoch und packte Tandarin am Hals. »Und was hast du für deine Marionetten benutzt?«
Tandarin würgte. »Einhorn- oder Greifenhaare. Und ja, manchmal auch die Haare Eurer Frauen, wenn ich welche kriegen konnte.«
Nikk schlug ihm kraftvoll ins Gesicht und der Puppenmacher kippte hintenüber, direkt vor Dystariels Klauen. Die Gargyle bleckte zufrieden die Reißzähne. Tandarin stöhnte, doch er wehrte sich nicht. »Ich sagte es doch bereits«, keuchte er. »Es gibt nur wenig, worauf ich in meinem Leben stolz bin.«
»Haben wir eigentlich schon die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass Effreidon selbst an den Fäden einer magischen Marionette hängt?«, wollte Fi wissen. Eine Weile herrschte Schweigen und Nikk starrte sie mit aufgerissenen Augen an, als würde ein solcher Umstand die Ehre seines Onkels wiederherstellen.
»Der Gedanke liegt nahe, doch ich würde eher nicht darauf setzen«, machte Tandarin Nikks Hoffnungen zunichte. »Zumindest nicht, wenn Finsterkrähe nur Nixenhaar benutzt. Ebenso wie Greifenhaar bei einem Greifen versagt und Einhornhaar bei einem Einhorn, vermag keine Marionette mit Fäden aus Nixenhaaren einen Angehörigen des Meervolkes zu kontrollieren.«
»Die Fäden einer solchen Marionette könnten aus einem anderen Material bestehen«, wandte Eulertin ein.
»In diesem Fall würde Effreidon über kurz oder lang durch sein Verhalten auffallen«, stöhnte Tandarin. »Die Opfer des Puppenzaubers werden zunehmend lethargisch, wenn sie nicht vom Schöpfer der Marionette fremdgesteuert werden. Und wie man sieht«, Tandarin wies zu den Marionetten an der Decke, »war Morbus auch anderweitig beschäftigt. Wenn Prinz Nikkoleus’ Onkel tatsächlich über so großen politischen Einfluss verfügt, dürfte er angesichts seiner Stellung im Meervolk ununterbrochen unter Beobachtung stehen. Das Risiko, dass jemand seine Verhaltensänderung bemerkt, wäre angesichts der Wichtigkeit eines Agenten in seiner Position viel zu groß. Wenn ihr mich fragt, tippe ich darauf, dass Effreidon Morgoya aus freien Stücken dient.« Tandarin hustete krampfhaft und wischte sich etwas Blut von den Lippen. »Was natürlich nicht heißt, dass Morbus vielleicht doch eine Marionette von Effreidon angefertigt hat. Ich hätte mich an seiner Stelle jedenfalls auf diese Weise abgesichert – nur für den Fall, dass Effreidon eines Tages nicht mehr spurt.«
Nikk maß Tandarin mit einem Blick, als wollte er ihn packen und im Nachbarraum ertränken.
»Königliche Hoheit!«, hub Eulertin an,
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