Der silberne Traum - Die Chroniken der Nebelkriege ; 4
einen kühlen metallischen Gegenstand berührte. Als sie schließlich die Kette zu fassen bekam, erhob sie sich und präsentierte Nikk das mondeiserne Amulett.
»Das kann doch wohl nicht wahr sein!« Der Prinz riss die Augen auf und trat zu ihr. Bewundernd betrachtete er die Gravur mit den verschiedenen Mondphasen. »Der Schwurstein war die ganze Zeit über hier an Bord?«
»So ist es.« Fi zuckte die Schultern. »Ich hätte schon viel früher darauf kommen können. Wo hätte ich den Glyndlamir sonst so rasch verstecken können? Wo ich doch zugleich seine Kräfte aktiviert hatte, um mir die Erinnerungen an ihn und alles, was mit ihm zusammenhing, zu rauben? Jetzt, da ich weiß, wie sich der Traumaspekt des Glyndlamirs anrufen lässt, könnte ich es vermutlich sogar noch einmal wagen. Nur diesmal vielleicht, ohne fast mein ganzes Gedächtnis zu löschen.« Sie lächelte unsicher. »Inzwischen habe ich Einblicke in seine Kräfte, von denen ich zuvor kaum etwas wusste.«
»Und wird uns das Amulett dabei helfen, den Dreizack zu finden?« Nikk sah sie aufgewühlt an. »Wir haben Hammaburg am Vormittag verlassen und sind inzwischen weit draußen auf dem Meer. Ich hoffe, diese Entscheidung war richtig, denn du sagtest doch, dass du den Dreizack beim Nixenbrunnen irgendwo am Meeresgrund gesehen hast.«
»Ja.«
»Gut, denn schon heute Abend endet mein Aufenthalt über dem Wasser.«
»Wie spät ist es?«, fragte Fi.
»Später Nachmittag«, antwortete Nikk. »Du hast über zwölf Stunden geschlafen. Ich dachte schon, du wachst gar nicht mehr auf.«
Fi umfasste den Glyndlamir mit beiden Händen und schloss die Augen. Zunächst versuchte sie es mit reiner Konzentration, doch dann besann sie sich eines Besseren und ließ ihre Gedanken schweifen. Ein Bild. Sie brauchte irgendeinen Anker. Plötzlich stieg die Rankenskulptur aus Jada’Maar vor ihrem geistigen Auge auf, die ihr erstmals die Verbindung zwischen Amulett und Dreizack offenbart hatte. Nikk gab einen erstaunten Laut von sich. Fi blinzelte und sah, dass der Glyndlamir silbern erstrahlte. Zugleich spürte sie eine wohlige Wärme in sich aufsteigen, die jedoch nicht vom Amulett, sondern von einem Ort irgendwo weit unter dem Schiff ausging. Sie schloss die Augen wieder und das Bild eines wundersamen Bauwerks mit Türmen, die wie riesige Spitzmuscheln geformt waren, und mit hell erleuchteten Fenstern erschien. Delfine und Meernymphen schwammen daran vorbei. Aufgeregt beschrieb sie Nikk, was sie sah.
»Das klingt nach dem Meerespalast«, rief er. »Aber wo genau sollen wir dort suchen?«
Fi öffnete die Augen und ließ das Mondeisenamulett sinken. Sofort erlosch auch dessen Schimmer. »Ich weiß es nicht. Ich fürchte, ich muss erst näher an den Palast heran, bevor mir das Amulett noch mehr offenbart.«
»Gut, wir sind ohnehin auf dem Weg dorthin.« Der Meermann drückte Fi eine taubeneigroße Glaskugel in die Hand. »Das hat mir übrigens Magister Eulertin für dich mitgegeben. Die Kugel vermag Licht zu erzeugen. Das könnte dir unter Wasser vielleicht von Nutzen sein.«
Fi steckte die Glaskugel dankbar ein und folgte Nikk hinauf an Deck. Das Schiff steuerte durch einen ungemütlichen Nebel, der über dem Meer aufgezogen war.
»Nein, nein, nein!«, gellte von links eine schneidige Stimme zu ihnen herüber. Zu Fis Erstaunen stand dort Magister Horatio Chrysopras. Mit einer Hand hielt er wütend die Krempe seines Spitzhutes fest, während er mit der anderen ein paar von Koggs’ Leuten anwies, eine Truhe mit klimperndem Inhalt vor dem Hauptmast abzustellen. »Die Kisten mit den Luftelementaren müssen für jede Geschützeinheit gut erreichbar sein. Kurze Wege, versteht ihr! Und nagelt die Truhe fest!«
Irritiert sah Fi dabei zu, wie schräg hinter dem Zauberer andere Matrosen damit beschäftigt waren, mächtige Holzröhren in Eisenklammern zu spannen, die mit Scharnieren an der Reling befestigt waren. Vier dieser Röhren ragten über die Steuerbordreling, vier weitere waren an der Backbordreling angebracht. Jede von ihnen war zum Deck hin mit einer Verschlussklappe versehen, die den übergroßen Zinndeckeln von Bierkrügen ähnelte. Doktorius Erasmus Gischterweh half den Seeleuten bei der Arbeit, wenngleich es Fi so vorkam, dass der dicke Windmacher den Männern eher im Weg stand.
»Ah, Fi ist endlich wieder wach!«, rief er mit seiner Bassstimme. »Ich habe mir schon Sorgen gemacht.«
»Wie ich sehe, werden die letzten Vorkehrungen getroffen«, sagte Nikk
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