Der silberne Traum - Die Chroniken der Nebelkriege ; 4
musst mir sagen, wie ich Nikk helfen kann.«
»Denk an das, was dir Nikk über seinen Vater Aqualonius erzählt hat, als er sich in der gleichen Lage befand wie Nikk jetzt.«
»Meinst du damals, als Aqualonius bei der Suche nach dem verschwundenen Dreizack den Sonnenrat aufgesucht hat?«, fragte Fi.
»An welches Mitglied wandte er sich wohl?«, fragte Gilraen zurück.
Fi grübelte. »An die Trägerin des Glyndlamirs. An meine Mutter.«
»Sieh an!«, erwiderte Gilraen. »Wenn Aqualonius mit der Trägerin des Glyndlamirs sprechen wollte, dann erbat er von ihr vielleicht die gleiche Hilfe, die Nikk jetzt auch von dir benötigt.«
»Willst du damit sagen, dass ich mithilfe des Schwursteins auch den Dreizack finde?«
»Du hegst diese Hoffnung doch bereits seit deiner Reise ins Totenreich«, kam es aus den Schatten des Waldes zurück. »Warum zweifelst du plötzlich daran? Sowohl der Glyndlamir als auch der Dreizack der Wogen wurden von Elfenkönig Avalaion in die Wirklichkeit gebracht. Das geschah sicher nicht ohne Grund.«
»Heißt das, meine Mutter hat uns ausgeschickt, um dem Meervolk zu helfen?«, rätselte Fi.
»Vielleicht musst du dem Meervolk helfen, damit du deine eigentliche Aufgabe erfüllen kannst«, antwortete Gilraen. »Sieh ins Wasser, Fi. Hab keine Angst vor dem, was sich dir dort offenbart, sonst war mein Opfer in Albion umsonst.«
Fi trat zitternd an den brausenden Wildbach mit ihren Erinnerungen heran. »Gilraen, werden wir uns eines Tages wiedersehen? Ich meine nicht hier, sondern … in der Wirklichkeit?«
Die Gestalt zwischen den Bäumen bewegte sich, wirkte jedoch seltsam kantig und schroff. »Was sagt dir denn diesmal dein Herz?«
Das Wasser rauschte. Der silberne Regen fiel weich auf Fi nieder und um sie herum funkelte alles in hellem Silberlicht.
Als Fi erwachte, lag sie in der Hängematte auf Koggs’ Schiff. Die Planken knarrten, Wasser rauschte an der Außenwand des Schiffes entlang und von oben konnte sie die rauen Stimmen der Seeleute hören. Wie lange hatte sie geschlafen? Als sie das Elixier der Traumhändlerin zu sich genommen hatte, hatten sie noch im Schmugglerviertel vor Anker gelegen. Seitdem mussten Stunden vergangen sein. Immerhin stand Nikk neben ihr und sah sie gespannt an. Er trug jetzt wieder das Muschelhorn, das sie damals nahe der Sireneninsel geborgen hatten.
»Und?« Er beugte sich über sie. »Hast du deine Erinnerungen zurückerlangt?«
Fi setzte sich auf und atmete tief ein. »Ja, ich erinnere mich wieder an alles. Ich bin mir nur nicht sicher, ob das so gut ist.« Fi konnte nicht weiterreden, denn die Macht der Eindrücke schnürte ihr die Kehle zu. Ein Strom heißer Tränen rann über ihre Wangen und sie schluchzte.
Ergriffen zog Nikk sie an seine Brust. »So schlimm?«, fragte er besorgt
»Schlimmer, Nikk. Viel schlimmer.« Fi bebte vor Kummer und Schmerz. »Was in den letzten zwanzig Jahren geschehen ist, ist unfassbar schrecklich. So viel Not, so viele Entbehrungen, so viele Freunde, die meinetwegen gestorben sind.« Sie schluchzte abermals und Nikk streichelte sanft ihren Rücken. »Gilraen und ich, wir sind gescheitert«, flüsterte sie. »Hätte er sich am Ende nicht für mich geopfert, hätte ich gar nicht aus Albion fliehen können. Das eigentliche Ziel, der Grund, weshalb wir ausgeschickt wurden, ist nun unerreichbar fern.«
»Warum wurdet ihr ausgeschickt?«
»Um den Glyndlamir in der Ewigen Flamme des …« Fi biss sich auf die Lippen. »Bitte Nikk, ich darf das niemandem verraten. Nicht einmal dir.«
»Irgendwann musst du jemandem vertrauen.«
Sie löste sich aus den Armen des Meermanns, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und sah ihn eine Weile ernst an. »Unser Auftrag bestand darin, Albion mit magischen Mitteln aus der Umklammerung der Schatten zu befreien. Bitte bring mich nicht dazu, dir Einzelheiten zu erzählen. Der Glyndlamir, zu dessen Hütern Gilraen und ich bestimmt wurden, spielt jedenfalls bei alledem eine Schlüsselrolle. Morgoya ist uns jedoch zuvorgekommen und hat all unsere Hoffnungen zunichtegemacht.«
»Das heißt, du hast Albion den Rücken gekehrt, um wenigstens den Glyndlamir vor ihr in Sicherheit zu bringen?«
»Ja und nein.« Fi atmete tief ein. »Nachdem Gilraen in die Gefangenschaft Morgoyas geriet, war ich völlig auf mich allein gestellt. Ich war verzweifelt und wusste nicht, was ich tun sollte. Zugleich hatte ich eigenartige Träume. Träume, die in mir die Hoffnung keimen ließen, dass unsere Mission
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