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Der Simulant

Der Simulant

Titel: Der Simulant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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herauszi e hen.
    Alternativ sind Klistiere möglich, aber nicht so zuve r lässig.
    Ich bin mit Ursula im Stall, und draußen fängt es an zu regnen. Der Regen prasselt auf das Strohdach, das Wasser rauscht über die Straße. Das Licht in den Fenstern ist dunkler, dunkelgrau, und man hört das hast i ge Platschen, eines Menschen, der in Deckung läuft. Die verkrüppelten schwarz-weißen Hühner drä n gen durch ein geborstenes Brett in der Wand zu uns herein und spreizen die Flügel, um das Wasser abz u schütteln.
    Und ich sage: »Was hat man im Fernsehen sonst noch über Denny erzählt?«
    Denny und Beth.
    Ich sage: »Glaubst du, dass Jesus automatisch von Anfang an gewusst hat, dass er Jesus war, oder hat ihm das seine Mutter oder wer erzählt, und er ist lan g sam da reingewachsen?«
    Ein leises Grummeln kommt von meinem Schoß her, aber nicht direkt aus mir.
    Ursula atmet aus, dann schnarcht sie wieder. Ihr Griff um meinen Schwanz wird schlaff. Der auch. Ihre Ha a re liegen auf meinen Beinen. Ihr warmes weiches Ohr ruht auf meinem Bauch.
    Das Heu kratzt mich durchs Hemd am Rücken.
    Die Hühner scharren in Staub und Stroh. Die Spinnen spinnen.

38
    Eine Ohrkerze stellt man wie folgt her: Man nimmt irgendein Stück Papier und rollt es zu einem dünnen Röhrchen. Mit einem echten Wunder hat das nichts zu tun. Man muss immer von den Sachen ausgehe n, die man bereits kennt.
    Auch das ist nur ein Überbleibsel vom Medizinstudium, eines der Dinge, die ich jetzt im alten Dunsboro den Kindern beibringe.
    Vielleicht muss man sich zu den echten, authentischen Wundern erst langsam hocharbeiten.
    Denny kommt nach Hause, nachdem er den ganzen Tag im Regen Steine gestapelt hat; er sagt, er habe so viel Schmalz in den Ohren, dass er kaum noch was hören könne. Er setzt sich auf einen Stuhl in der K ü che meiner Mutter. Beth ist auch da, sie steht neben der Hintertür, mit dem Hintern an die Kante der A n richte gelehnt. Denny hat den Stuhl seitwärts an den Tisch gezogen und einen Arm darauf gelegt.
    Ich sage, er solle still halten.
    Ich rolle das Papier zu einem festen Röhrchen und sage: »Nur mal angenommen«, sage ich, »Jesus Christus hätte erst einmal üben müssen, der Sohn Gottes zu sein.«
    Ich sage Beth, sie solle das Licht ausmachen, und schraube das dünne Papierröhrchen in den engen dunklen Tunnel von Dennys Ohr. Da wachsen schon ein paar Haare raus, aber nicht in solchen Büscheln, dass man, wie bei manchen anderen Leuten, mit einer Feuersbrunst rechnen müsste. Ich schraube ihm das Röhrchen nicht zu tief hinein, nur so weit, dass es st e cken bleibt, wenn ich es loslasse.
    Um mich zu konzentrieren, versuche ich, nicht an Pa i ge Marshalls Ohr zu denken.
    »Was, wenn Jesus als Heranwachsender alles falsch gemacht hat«, sage ich, »bevor ihm dann endlich das erste Wunder gelungen ist?«
    Denny sitzt auf seinem Stuhl im Dunkeln, das weiße Papierröhrchen ragt ihm aus dem Ohr.
    »Warum lesen wir nie etwas über seine ersten g e scheiterten Versuche«, sage ich, »oder dass er die großen Wunder erst vom Stapel gelassen hat, als er schon über dreißig war?«
    Beth schiebt mir ihren Unterleib in der hautengen Jeans entgegen, und ich mache an ihrem Reißve r schluss ein Streichholz an und trage die kleine Flamme zu Denny hinüber, zu seinem Kopf, und zünde das Ende des Papierröhrchens an.
    Vom Anzünden des Streichholzes riecht es in der K ü che jetzt nach Schwefel.
    Rauch kräuselt sich aus dem brennenden Ende des Röhrchens empor, und Denny sagt: »Du achtest doch drauf, dass mir nichts passiert, oder?«
    Die Flamme nähert sich langsam seinem Kopf. Das verbrannte Ende des Röhrchens rollt sich auseinander. Schwarze Papierstückchen, gesäumt von glimmenden Funken, schweben zur Decke auf. Andere rollen sich ein und sinken zu Boden.
    So nennt man das wirklich. Eine Ohrkerze.
    Und ich sage: »Könnte es nicht sein, dass Jesus erst mal mit netten Kleinigkeiten angefangen hat, zum Be i spiel alten Frauen über die Straße zu helfen oder Leute darauf aufmerksam zu machen, dass sie vergessen haben, die Scheinwerfer abzuschalten?« Ich sage: »Na ja, vielleicht nicht genau das, aber ihr versteht schon.«
    Ich sehe die Glut auf Dennys Ohr zuwandern und s a ge: »Könnte es nicht sein, dass Jesus sich auf die gr o ße Brot— und Fisch-Vermehrung erst mal jahrelang vorbereitet hat? Das heißt, die Nummer mit Lazarus kann er doch nicht einfach so aus dem Ärmel geschü t telt haben, oder?«
    Und Denny schielt nach

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