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Der Simulant

Der Simulant

Titel: Der Simulant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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Süchtige immer wieder wiederholen will. Das erste Mal, an das kein weiteres Mal jemals wieder hera n reicht.
    Am schlimmsten ist es, wenn ein kleines Kind die Tür aufmacht. Das Zweitschlimmste ist, wenn ein Mann die Tür aufreißt und nichts kapiert. Auch wenn man noch allein ist – wenn ein Kind die Tür aufmacht, muss man ganz schnell die Beine übereinander schlagen. So tun, als ob man nur aus Versehen nicht abgeschlossen hat. Ein Erwachsener schlägt die Tür wahrscheinlich einfach wieder zu und schreit: »Schließ das nächste Mal ab, du Schwachkopf!« Aber einen roten Kopf kriegt er trotzdem.
    Schlimm ist es auch, sagt Tracy, wenn man eine Frau ist, die das Kamasutra als Elefantenfrau bezeichnen würde. Besonders wenn sie mit einem Typ von Mann zusammen ist, der Hasenmann genannt wird.
    Diese Tiernamen haben was mit der Größe der Genit a lien zu tun.
    Sie sagt: »Ich wollte nicht, dass sich das so anhört.«
    Wenn der Falsche die Tür aufmacht, hat der Betre f fende eine Woche lang Albträume.
    Der wirksamste Schutz ist der, dass jeder, der die Tür aufmacht und dich da sitzen sieht, automatisch denkt, die Schuld liege bei ihm – es sei denn, er ist selbst auf ein Abenteuer aus.
    Mir ist das dauernd passiert. Im Flugzeug, im Bus, in Greyhound-Bussen, in den für beide Geschlechter b e stimmten Einzeltoiletten gewisser Restaurants: Ich brauchte nur die Tür aufzumachen, und da saß schon jemand, irgendeine Blondine mit blauen Augen und weißen Zähnen und einem Ring im Nabel und Stöcke l schuhen, den dünnen Tanga zwischen den Knien g e spannt und die übrigen Kleider und den BH zusa m mengefaltet auf der kleinen Ablage neben dem Waschbecken. Und jedes Mal, wenn das passiert ist, habe ich mich gefragt: Warum zum Teufel schließen die Leute nie die Tür ab?
    Als ob das jemals aus Versehen geschieht.
    Nichts in diesen Kreisen geschieht aus Versehen.
    Du fährst mit dem Zug zur Arbeit, machst eine Klotür auf – und was siehst du auf der Brille sitzen? Eine Brünette mit hochgesteckten Haaren und langen Oh r ringen, die zitternd vor ihrem glatten weißen Hals he r umbaumeln, die untere Hälfte ihrer Kleidung auf dem Fußboden. Ihre Bluse steht auf, und darin siehst du ihre Hände, mit denen sie die Brüste umfasst. Finge r nägel, Lippen und Brustwarzen alle von der gleichen braun-roten Farbe. Die Beine so glatt und weiß wie der Hals, glatt wie ein Auto, das man auf dreihundert Stundenkilometer hochjagen kann. Und ihre Haare sind braun, überall. Sie leckt sich die Lippen.
    Du knallst die Tür zu und sagst: »Entschuldigung.«
    Und irgendwo da drinnen sagt sie: »Nicht doch.«
    Und sie schließt die Tür auch jetzt noch nicht ab. Das Schloss sagt immer noch:
    Frei.
    Bei mir war es so, dass ich früher, als ich noch an der USC Medizin studiert habe, oft zwischen der Ostküste und Los Angeles hin und her geflogen bin. In den S e mesterferien. Sechsmal bin ich bei derselben Rotha a rigen reingeplatzt: Jedes Mal saß sie in Yogahaltung, also im Schneidersitz, untenrum völlig nackt auf der Klobrille und feilte sich an der Reibfläche eines Streichholzbriefchens die Fingernägel, als ob sie sich in Brand stecken wollte. Ansonsten trug sie nur eine Seidenbluse, die über den Brüsten zu einem Knoten geschlungen war. Und sechsmal hockt sie so da und sieht auf ihre sommersprossige rosa Haut hinunter, auf den signalroten Läufer vor der Kloschüssel, und dann hebt sie jedes Mal ganz langsam die zinngrauen Augen zu mir auf und sagt: »Wenn ’ s dich nicht stört«, sagt sie, »bin ich hier drin.«
    Sechsmal schlage ich die Tür wieder zu.
    Und jedes Mal sage ich: »Können Sie nicht lesen?«
    Sechsmal.
    Das alles dauert ja keine Minute. Keine Zeit zum Nachdenken.
    Aber es passiert immer öfter.
    Auf einem anderen Flug, in Reiseflughöhe zwischen Los Angeles und Seattle, machst du die Tür auf und erblickst einen blonden Surfer, der seinen dicken vi o letten Schwanz mit beiden sonnengebräunten Händen gepackt hält, und der Kerl schüttelt sich die strähnigen Haare aus den Augen, richtet seinen mit einem feucht glänzenden Gummi überzogenen Schwengel auf dich und sagt: »He, Mann, lass dir Zeit … «
    Es kommt so weit, dass jedes Mal, wenn du aufs Klo willst und die Tür aufmachst, da schon jemand wartet. Obwohl da frei steht.
    Eine Frau, total in sich selbst versunken.
    Ein Mann, seine zehn Zentimeter zwischen Daumen und Zeigefinger, kurz davor, die weißen Truppen in Marsch zu setzen.
    Und allmählich fragst

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