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Der Simulator

Der Simulator

Titel: Der Simulator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Lalli
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verschont.
    Die Schwarze Zigarre hatte natürlich keine Leuchtreklame vor der Tür. Der Eingang befand sich im hintersten Teil einer Videospielhölle, und erst wann man an der dicken Trude vorbeikam, die ihn als Toilettenfrau verkleidet bewachte, konnte man in den klapprigen Fahrstuhl steigen, der einen quälend langsam in eine ungewisse Tiefe brachte.
    Dann allerdings kam man in einer anderen Welt an. Kaum hatte man die Luftschleuse passiert, meinte man in eine Hotelbar des letzten Jahrhunderts zurückversetzt worden zu sein. Natürlich hatte ich eine solche Hotelbar nie betreten, aber ich kannte sie aus unzähligen Filmen, auch wenn aus diesen Filmen mittlerweile rauchende Menschen herausgeschnitten und alle diesbezüglichen Utensilien sorgfältig herausretuschiert worden waren.
    Der Tresen war lang und geschwungen, und lief an zwei Wänden entlang. Dahinter deckenhohe Regale, auf denen unzähligen Flaschen standen. Dazwischen Spiegel, Humidore für die Zigarren, Gläser, Tassen und allerlei anderes Zubehör. Gleich am Anfang der Theke stand eine riesige, mechanische Gaggia-Kaffeemaschine, die wie ein urzeitliches Monster dampfte und zischte. Der Boden wurde von einem dunkelgrünen Teppichboden bedeckt, der so dick war, dass man darin zu versinken meinte. In einer Ecke stand ein Flügel. Einige wenige Tischgruppen vervollständigten die Einrichtung. Überall dunkles, blankpoliertes Holz.
    Aber es war nicht dieser Anblick, der mich überwältigte. Ich war mit dem alten Doc schon mehr als einmal hier gewesen und wusste, was mich erwartete. An eines aber würde ich mich nie gewöhnen, ganz gleich, wie gut ich mich darauf vorbereitete. Es war der Geruch, der diesen Raum erfüllte und der sofort über mich zusammenschlug. Der Rauch, der in der Luft stand, als könne man ihn mit bloßen Händen greifen, der Kaffeeduft, schwer und dunkel wie verbranntes Holz, die Ausdünstungen von Whisky und Cognac, der namenlosen Brände, die in die Möbel, das Leder, den Teppich eingedrungen waren, so dass man meinte, man betrete ein altes Fass.
    Ich sah mich um. Um diese Zeit waren kaum Gäste da. Mein alter Lehrer war nicht unter ihnen. Ich ging zum Tresen und begrüßte Karl, den Wirt. Nachdem wir einige Höflichkeitsfloskeln ausgetauscht hatten, bestellte ich einen zwölf Jahre alten Whisky und zwei Kool-Zigaretten. Eigentlich trank ich keinen Alkohol, aber Doc Schmitt war der festen Überzeugung, dass eine Zigarette am besten in Begleitung eines lange im Holzfass gereiften schottischen Whiskys schmecke. Er selbst war seit zehn Jahren trocken, und so bestand er darauf, dass ich an seiner statt tränke.
    Die Zigaretten waren einzeln in Cellophan eingeschweißt. Auf der Hülle prangten chinesische Schriftzeichen. Offenbar handelte es sich um Originalware, was angesichts des horrenden Preises nur fair war. Ich entpackte umständlich die erste und roch lange daran. Als Karl mir ein Feuerzeug vor die Nase hielt, entzündete ich sie. Dann nahm ich einen tiefen Zug. Meine Lungen rebellierten. Nur mit Mühe konnte ich ein Husten unterdrücken. Gleichzeitig erreichte das Nikotin mein Gehirn. Es schien sich auf einen Schlag zusammenzuziehen, und ich spürte den Schwindel in mir aufsteigen. Fast wie bei meinen Anfällen, dachte ich, nur dass meine Anfälle hundert Mal stärker waren.
    Noch bevor ich meinen Sorgen über jene rätselhafte Krankheit weiter nachgehen konnte, trat der Doc aus der Schleuse. Er war außer Atem, aber wie immer gut gelaunt. Er fluchte über die Interviewer, die auch ihn erwischt hatten.
    »Es ist noch gar nicht so lange her, da wollte niemand etwas von uns Alten wissen. Wir waren ihnen nicht wohlhabend genug. Oder nicht ausgabefreudig genug. Was weiß ich, aber jetzt sind wir plötzlich heißbegehrt. Liegt wohl daran, dass es zu viele alte Deppen wie mich gibt. Generation Silberlocke...« Er lachte und gab Karl ein Zeichen. »Lass dich anschauen.« Kurz legte er mir die Hände auf die Schultern und sah mich an. »Hm, richtig erholt siehst du nicht aus. Warst du nicht gerade im Urlaub?« Dann lachte er. »Kowalski, stimmt’s? Der alte Sklaventreiber! Jetzt, wo es bald losgeht...«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein, das ist es nicht. Natürlich gibt es viel zu tun, aber...« Ich stockte. Nach einer Pause fügte ich hinzu: »Ich fühle mich nicht besonders. Gesundheitlich, meine ich. Vielleicht der Kreislauf...«, und als er fragend die Brauen hob, beeilte ich mich hinzuzufügen: »Nichts Schlimmes. Ich muss mich nur

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