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Der Simulator

Der Simulator

Titel: Der Simulator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Lalli
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Zivilisation prophezeit haben, wenn wir nicht eine Auskunftspflicht in der Marktforschung einführen.«
    Tatsächlich hatte sich die ganze Branche für das Gesetz stark gemacht, und Kowalski hatte seine Beziehungen spielen lassen. Ich selbst war damals nur Student gewesen, an die hitzigen politischen Auseinandersetzungen konnte ich mich aber noch gut erinnern.
    »Und man wollte dieses Gesetz unbedingt in den Verfassungsrang erheben«, fuhr Trautmann ruhig fort. »Schließlich sollte es Bestand haben, nicht jede dahergelaufene Regierung sollte es ändern oder abschaffen dürfen. Und was haben wir davon?« Er zeigte hinunter zur Meute der demonstrierenden Interviewer, die man aus der Höhe des dreißigsten Stockwerks mehr erahnen als sehen konnte. »Heute verfluchen wir sie jeden Tag.«
    Natürlich hatte er recht. Für Kowalski mit seinem Simulator war es einfach, sich jetzt gegen die Interviewer zu stellen, doch vor nicht allzu langer Zeit hatte er selbst auf der anderen Seite gestanden, was er ein glühender Verfechter der persönlichen Befragung gewesen.
    »Doch die Akzeptanz in der Bevölkerung schwindet. Oder sagen wir besser, die Menschen haben die Schnauze gestrichen voll.« Er wandte sich von der Aussicht auf die winzigen Demonstranten ab und kam zu uns zurück. »Wir brauchen eine Mehrheit für ein neues Demoskopiegesetz. Nein, keine Mehrheit, eine Zweidrittelmehrheit, denn irgendwelche Schlauberger haben dafür gesorgt, dass es in der Verfassung steht.«
    »Und in diesem neuen Gesetz wird stehen...«
    »Sofern unsere gewählten Volksvertreter dies zu beschließen geruhen...«, ergänzte Trautmann.
    »Natürlich, denn sie sind nur ihrem Gewissen verantwortlich – In diesem neuen Gesetz wird also stehen, dass jegliche Form der persönlichen Befragung...«
    »Sofern sie nicht von der befragten Person selbst ausgeht...«
    »Als Belästigung anzusehen und damit«, Kowalski legte eine Kunstpause ein, »verboten ist.«
    Das war es also. Der Simulator sollte zum Herrschaftsinstrument der alles beherrschenden Einheitspartei werden. Im Gegenzug erhielt Kowalski ein Quasi-Monopol auf die Markt-und Meinungsforschung. Ein gewagtes Spiel, worauf sich Kowalski da einließ, atemberaubend in seinen Chancen, aber auch in seinen Gefahren.
    Sicherlich würden anderen Institute bald nachziehen und ihre eigenen Simulatoren bauen. Doch die Sinex AG hatte einen Vorsprung von mehreren Jahren. Und dann gab es noch die Sinex-Milieus. Sie waren nicht so leicht nachzubilden wie Schränke voll stupider Schaltkreise.
    Während ich diesen Gedanken nachhing, war das Gespräch weitergegangen. Offenbar machte sich Kowalski Sorgen, seine Firma könne tatsächlich als Monopolist angesehen werden, denn er hatte zum Lobgesang auf die Panelanbieter angehoben, die sicherlich bald die Lücke füllen und den deutschen Markt wieder mit günstigen Angeboten überfluten würden.
    Ein Panel bestand aus Personen, die sich freiwillig und gegen Bezahlung für Befragungen aller Art zur Verfügung stellten. Meistens gab es nicht mehr als ein Taschengeld, doch das Interesse an einem solchen Zusatzverdienst war groß.
    Vor der Novellierung des Demoskopiegesetzes und der damit verbundenen Einführung einer Allgemeinen Befragungspflicht hatte es zahlreiche Panels gegeben. Diese waren dann allerdings bald von der Bildfläche verschwunden. Wer wollte schon jemanden für ein Interview bezahlen, wenn man gesetzlich dazu verpflichtet war, kostenlos Auskunft zu geben?
    Trotz der vollmundigen Worte, mit denen Kowalski das Geschäftsmodell der vielleicht schon bald neu erstarkten Panelanbieter lobte, hielt sich seine Angst vor dieser Konkurrenz vermutlich in Grenzen. Da für die Panelteilnehmer das Geldverdienen im Vordergrund stand, galten solche Studien als qualitativ minderwertig.
    »Wir sehen das ganz genauso«, stimmte Trautmann zu. Er und Kowalski schienen sich gegenseitig die Stichworte zu geben. Es kam mir vor, als wohnte ich eine Aufführung bei, die mich als einzigen Zuschauer hatte. »Im Grunde wird sich nicht allzu viel ändern. Wir werden wieder Panels haben, wir werden wieder Adresslieferanten haben, und wir werden auch den einen oder anderen Anbieter von Simulationen bekommen. Warum nicht? Konkurrenz belebt schließlich das Geschäft, nicht wahr?«
    Kowalski nickte lächelnd. Es war eine rosige Zukunft, in die er blickte.
    Als sich Trautmann endlich verabschiedet hatte und ich ebenfalls zum Aufzug wollte, hielt mich Kowalski zurück.
    »Marc«, seine

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