Der Simulator
eines Feuers. Menschen rannten umher. Ich erkannte die blauen Uniformen des Sicherheitsdienstes. Im Kontrollraum waren die Monitore erloschen. Obwohl die Aufzüge gegen Feuer gesichert waren, nahmen wir die Treppe.
Auch im Foyer im Erdgeschoss herrschte Chaos. Mehrere Löschzüge der örtlichen Feuerwehr waren vorgefahren. Den mit Helmen und Atemgeräten ausgestatteten Männern wurde aber von unseren Sicherheitsleuten der Zutritt verwehrt. Ich ließ mich in einen der Besuchersessel fallen.
»Das war knapp«, auch Kurz war außer Atem. »Sind Sie wirklich ok?«
Nach dem, was ich unten gesehen hatte, kam es auch mir seltsam vor, ganz und gar unversehrt zu sein. So betastete ich meinen Körper, besah mir Arme und Hände, doch bis auf ein paar Kratzer und eine schmerzende Stelle zwischen den Rippen schien alles in Ordnung. Vermutlich sahen wir dennoch recht abenteuerlich aus mit unseren rauchschwarzen Gesichtern und den versengten Haaren, denn die beiden Empfangsdamen am Welcome-Desk sahen mehr als einmal besorgt zu uns herüber.
»Was ist passiert?« fragte ich schließlich.
Stefan Kurz schüttelte den Kopf. »Wenn ich das wüsste!« Zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, war ihm seine gute Laune abhandengekommen. »Es lief alles völlig normal, als es plötzlich knallte. Ein Riesenrums, der gleich ein paar Schränke weggeblasen hat. Ich tippe auf eine Überlastung, einen Kurzschluss, vielleicht auch eine Überhitzung, wer weiß? Aber, keine Sorge, das kriegen wir raus.«
Kurz schien an technisches Versagen zu glauben, aber war ein Anschlag wirklich ausgeschlossen? Schon eine kleine Haftladung unter einem der vielen Kästen musste in einem geschlossenen Raum verheerende Folgen haben. Doch wer hätte einen solchen Anschlag verüben sollen, die Interviewer? Kaum vorstellbar, dass jemand so weit vordringen konnte.
»Das war knapp!« wiederholte Kurz. »Zwei Minuten später...« Er vollendete den Satz nicht.
Hatte ich bis dahin auf den Zwischenfall eher gelassen reagiert, wurde ich jetzt hellhörig. »Zwei Minuten später?«
Er sah mich schräg von der Seite an. »Na ja, dann hätte es vielleicht keinen Körper mehr gegeben, in den Sie hätten zurückkehren können.«
Ich brauchte eine Weile, um diese Information zu verdauen. Mir wurde wieder bewusst, dass die Gefahr eines Unfalles nicht im Simulator, sondern in der wirklichen Welt lauerte. Wie beim E-Bus war ich nur knapp mit dem Leben davongekommen. Vielleicht war ich auch diesmal das Ziel gewesen und nicht der Simulator. Vielleicht legte es jemand darauf an, uns beide zu beseitigen.
»Wie ist es da ... unten? Wie groß ist der Schaden?«
Ich zog die Schultern hoch. »Nicht unerheblich, würde ich sagen. Als ob eine Autobombe hochgegangen wäre.«
»Meinen Sie, wir müssen die Simulation neu starten?«
Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Ein Reset würde uns um Wochen zurückwerfen. »Nicht, wenn es irgendwie anders geht.« Kowalski würde toben.
»Mit einem Terroranschlag ließe sich das meiste erklären...«
Ein Terroranschlag? Das war eine gute Idee. »Ja, rechnen Sie die verschiedenen Varianten durch. Mal sehen, wie viele Widersprüche sich ergeben.« Mit etwas Glück konnten wir den aktuellen Simulationslauf retten.
Bald darauf verabschiedete ich mich. Ich fühlte mich schmutzig und zerschlagen. Ein Taxi brachte mich nach Hause.
Später fuhr ich zu Blinzle. Sein Haus stand in Wilhelmsfeld, einer halb verlassenen Ortschaft oberhalb von Ziegelhausen. Ich musste das Auto nehmen, weil der Ort über keine öffentliche Verkehrsanbindung verfügte. Ich fuhr durch Schriesheim und dann hinauf in die hügelige Landschaft.
Obwohl ich meistens mit der S-Bahn oder mit dem Taxi unterwegs war, genoss ich das Selbstfahren sehr. Besonders hier in den Bergen, abseits der automatischen Verkehrsführung und der ferngesteuerten Geschwindigkeitsbeschränkung, bereitete es mir eine unbändige Freude, das Fahrzeug ohne Rücksicht auf die Batterieleistung durch die Kurven zu jagen. Es war Vollmond, und die Sicht war gut. Mit kleinen Bewegungen steuerte ich den Wagen durch die laubnassen Kehren, erfreute mich an den perfekten Radien, die ich fuhr, auch wenn ich wusste, dass eine Vielzahl elektronischer Systeme im Hintergrund über den Schlupf der Räder wachte und das geringste Rutschen ausschloss.
Ich war seit Monaten nicht mehr bei Blinzle gewesen, und die Tatsache, dass seine Tochter jetzt dort wohnte, machte mich unruhig. Es war fast so wie immer, als ich in die
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