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Der Simulator

Der Simulator

Titel: Der Simulator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Lalli
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können.
    »Also könnte er mich auch jetzt...«
    »Nein, Marc, nicht jetzt. Er braucht die Genehmigung des Kontrollausschusses, um dich aus dem System zu nehmen. Und im Augenblick haben sie Wichtigeres zu tun, als sich mit dieser Frage zu beschäftigen.«
    Zum Beispiel mit der Frage, ob unsere Welt untergehen soll, ging mir durch den Kopf. Keine beruhigende Alternative zu meinem eigenen Tod.
    Sie legte sich zu mir aufs Bett und umarmte mich. Leise sagte sie: »Verstehst du mich jetzt? Ich sitze in Blinzles Büro, und plötzlich kommst du durch die Tür. Marc kommt durch die Tür. Jener Marc, den ich einmal so geliebt habe und den ich für immer verloren glaubte. Plötzlich ist er wieder da, und er ist wie früher. Nein, er ist besser als früher, er ist so, wie ich ihn mir immer gewünscht habe.« Sie suchte meinen Mund. »Ist das ein Fehler? Sag, ist das ein Fehler?«
    Vielleicht hätte ich verletzt sein sollen, vielleicht hätte ich mir wünschen sollen, dass sie mich um meinetwegen liebte. Wer aber war ich? Ich war die Kopie eines Wesens, das einmal in einer anderen Wirklichkeit existiert hatte. Was bedeutete das für mich? Ich wusste es nicht.
    Das einzige, was ich fühlte, war ihre Wärme, der Atem, der aus ihrem Mund drang, ihre Zungenspitze, die mit meinem Ohr spielte. Ich umfasste sie fester, drückte mein Gesicht in ihr duftendes Haar. Plötzlich war mir gleichgültig, wer ich war, wer sie war. Es spielte keine Rolle mehr, wie wirklich wir waren, wir oder irgendetwas um uns herum. Es gab nur uns, und wir standen außerhalb dieses Universums, dieses Universums und aller anderen Universen, die es geben mochte.

16 . Kapitel
    Draußen wurde es langsam hell. Ich stand am Fenster und sah auf den See hinaus. Nebel lag auf dem Wasser, eine dicke Schicht, die sich im Licht der aufgehenden Sonne aus dem Grau der Nacht schälte.
    Samantha schlief, zumindest hielt sie die Augen geschlossen und rührte sich nicht. Ich hatte lange wach gelegen und war mit dem beginnenden Tag aufgestanden.
    Draußen wurde es langsam hell. Ich stand am Fenster und sah auf den See hinaus. Nebel lag auf dem Wasser, eine dicke Schicht, die sich im Licht der aufgehenden Sonne aus dem Grau der Nacht schälte.
    Auch der große Steuermann mochte noch schlafen, denn die Zeit in der höheren Wirklichkeit war mit unserer Greenwich-Zeit synchronisiert. So viel hatte mir Samantha verraten. Noch hatte ich also Ruhe vor ihm, eine trügerische Ruhe, das war mir klar.
    Denn Samantha hatte mir in der Nacht noch etwas erzählt. Die Abschaltung unserer Welt war keine hypothetische Option, die man in Erwägung zog, so wie man vieles bedenken mochte in einer schwierigen Situation wie dieser. Die Große Runde – Aufsichtsrat und Ethikkommission – würden am späten Vormittag darüber entscheiden. Eine Entscheidung, die im Grunde schon feststand, gab es doch keine Alternativen.
    Ich sah noch einmal in den Morgen hinaus, zu den Bergen, über denen schon bald die Sonne in den wolkenlosen Himmel aufsteigen würde, um dann über den See zu wandern. Eine Bahn ohne Ziel, denn sie würde niemals auf der anderen Seite ankommen.
    Das war also der Jüngste Tag. Ein Tag wie jeder andere. Milliarden Menschen würden ihn leben – nein, verbesserte ich mich, es waren nur wenig mehr als eine Million – doch gleichgültig, wie viele es waren, sie ahnten nichts. Ich war der einzige, der es wusste.
    Ich fragte mich, wie es sich anfühlen würde, wie schnell die Illusion von Wirklichkeit in sich zusammenbräche. Vielleicht dauerte es Minuten, Stunden gar. Eine unvorstellbare Panik wäre die Folge. Doch vielleicht war mit einem Wimpernschlag alles vorbei, so schnell, dass sich niemand darüber bewusst würde. Ich hoffte auf ein barmherziges Ende.
    Samantha schlief noch immer, und ich sah auf sie hinunter. Heute Morgen erschien sie mir unfassbar schön, das Schönste, was ich je in meinem Leben gesehen hatte. Wenn sie hier unten blieb, war auch sie zum Tode verurteilt. Sie würde mit ihrem hiesigen Körper vergehen. Und sie tat es aus Liebe, aus Liebe zu mir. Das durfte ich auf keinen Fall zulassen.
    Als sie schließlich erwachte, versuchte ich sie zu überzeugen. Ich argumentierte, ich bettelte, ich drohte. Doch sie wollte nicht zurückkehren, und jedes meiner Argumente verpuffte wirkungslos. Sie schien entschlossen, schien sich sicher, hatte bereits mit allem abgeschlossen.
    Ein Leben ohne mich sei sinnlos, sagte sie. Nachdem sie mich wiedergefunden hatte, durfte sie mich

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