Der Sixtinische Himmel
Tisch in der Küche, an dem sie gewöhnlich zu Abend aßen, standen ein Krug mit korsischem Rotwein, eine Schale mit Melonenstücken, ein Berlingozzo – ein köstlicher Napfkuchen –, dampfende Pasta sowie eine Schale mit einer grünlich-grauen Paste, die Michelangelo misstrauisch beäugte, bevor Rosselli das Geheimnis lüftete: »Artischockenpüree.«
Michelangelo sah seinen Freund an, als habe der soeben Wein in Wasser verwandelt.
»Ist etwas Neues – aus Afrika. Hat ein kleines Vermögen gekostet.«
»Afrikanische Pampe, die ein Vermögen kostet …« Michelangelo schien der Ohnmacht nahe.
»Und nach der afrikanischen Pampe und dem Spanferkel«, sagte Granacci und rieb sich den Bauch, dessen Umfang von Besuch zu Besuch zunahm, »werden wir uns hieran vergiften.« Er deutete auf eine Platte mit Ziegenkäse und getrockneten Feigen, die vorbereitet auf einem Schemel wartete.
»Wer um alles in der Welt hat das bezahlt?«, war Michelangelos größte Sorge.
Granacci und Rosselli antworteten aus einem Mund: »Du!«
»Gott steh mir bei!«
Auf die Idee mit dem Spanferkel war Rosselli nicht ohne Grund gekommen. Der Duft war bereits des Öfteren vom Palazzo del Belvedere, wo Bramante residierte, herübergeweht und ihnen verführerisch in die Nase gestiegen, wenn sie abends hungrig und erschöpft aus der Sistina gekommen waren, um den Weg zu Michelangelos Haus anzutreten, wo sie selten mehr erwartete als eine Fischsuppe, verdünnter Wein, Käse und trockenes Brot. Die Vorliebe des Papstes für Spanferkel war allgemein bekannt. Julius’ Leibgericht schien für Granaccis letzten Abend nur angemessen zu sein.
Die Stimmung hätte ausgelassen sein können, wäre Granaccis bevorstehender Abschied nicht so präsent gewesen. Alle, auch Michelangelo, waren sich der Tatsache bewusst, dass sich zugleich mit Granacci auch die Unbeschwertheit der vergangenen Tage nach Florenz verabschieden würde. Dennoch stand der Abend unter guten Vorzeichen. Gemeinsam hatten sie so viele Hindernisse überwunden und so große Herausforderungen gemeistert – am Ende hatte nichts sie aufhalten können. Die erste Hälfte des Gewölbes war nahezu vollendet, nächsten Monat würden sie die zweite in Angriff nehmen. Alle waren davon überzeugt, dass Michelangelo das Werk zu Ende bringen würde, ein zusammenhängendes Fresko von bald zehntausend Quadratfuß.
Insbesondere Granacci war guter Stimmung. Nachdem etwa die Hälfte des Weins erst in seinem Becher und anschließend in seinem Bauch verschwunden war, schwoll seine Stimme allmählich zu einem freundlichen Dröhnen an. Für ihn würde der vorübergehende Verlust seiner Freunde am leichtesten zu verschmerzen sein. Er kehrte in die Stadt zurück, die er liebte, sein freudvolles Gemüt nahm er mit, und den Fortgang der Arbeiten an der Sistina verfolgte er ohnehin vorzugsweise aus sicherer Entfernung. Nachdem er sich über den Ziegenkäse und die getrockneten Feigen hergemacht hatte, schlug er dem jungen Beato, der mit ihnen am Tisch saß, unvermittelt auf die Schulter. Der Fattorino, der den ganzen Abend noch keinen Ton von sich gegeben hatte und sein Essen zum Mund führte, als habe er es gestohlen, zuckte zusammen.
»Ich hab was für dich«, verkündete Granacci, stand schwerfällig auf, ging ins Atelier und kehrte mit einem kostbaren weinroten Seidenhemd zurück.
»Hab ich im Circus Agonalis gekauft«, erklärte er und warf es Beato achtlos in den Schoß, »und dabei meinen Bauchumfang unterschätzt. Es gehört dir – wenn du willst.«
Weder wagte Beato, das kostbare Hemd mit seinen fettverschmierten Fingern zu berühren, noch bekam er den Bissen herunter, den er im Mund hatte. Seine Augen weiteten sich, als habe Granacci ihm ein glühendes Holzscheit in den Schoß geworfen. Schließlich wischte er sich ungläubig die Finger an seiner Leinentunika ab, ergriff das wertvolle Geschenk, stand auf, verneigte sich und ging rückwärts aus der Küche. Er ließ eine erheiterte Runde zurück.
»Das war sehr großzügig von dir«, sagte Rosselli.
Granacci zuckte nur mit den Schultern und erhob sich. Alle wussten, was das bedeutete. Er hatte sich den Bauch vollgeschlagen und würde als Nächstes das Haus verlassen und zum Tiber hinunterstromern, um sich, wie er es nannte, eine »kleine Sünde zu gönnen«. Plötzlich hielt er inne und blickte Aurelio an.
»Wo wir gerade beim Thema sind«, setzte er an, ohne dass jemand am Tisch gewusst hätte, welches Thema er meinte. »Warst nicht auch du
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