Der Skandal (German Edition)
verstehen Sie?«
»Ja …«
»Es ist verbunden mit Uran und … Ach, ich hab den Namen von dem anderen Zeug vergessen.«
»Aber Sie scheinen eine Menge darüber zu wissen.«
»Ich krieg hier so einiges mit, außerdem bin ich hier geboren, mein Großonkel hat damals in der Mine gearbeitet.«
»Verstehe.«
»Kommen Sie mit, ich zeig Ihnen mal was.«
Christina folgt ihr eine Treppe hinauf. Von oben aus kann man in der Ferne, mitten in der Schneelandschaft, die Baustelle sehen: die Kräne, die Rohre, den Zaun, die grauen Blöcke der Container.
»Und, was sehen Sie?«, fragt Dani.
»Die Mine …«
»Sie sehen keinen See, oder?«
»Nein.«
Dani senkt die Stimme. »Und wohin sind die radioaktiven Abfälle verschwunden und die Laugen und die Säuren und was man alles braucht, um dieses Neodym aus dem Gestein zu holen?«
»Das hat Polycorp Minerals doch sicher erklärt, oder?«
»Sehen Sie das da, links neben dem Kran?«
Christina ist der an einen Rücken erinnernde dunkle Hügel noch nicht aufgefallen.
»Da drin ist es. Das Gift. In sicheren Auffangbecken. Behaupten sie.« Dani seufzt. »Die einen sehen die Arbeitsplätze, die anderen sehen das Gift. Die Leute von der Umweltorganisation versuchen immer noch durchzusetzen, dass die Mine wieder geschlossen wird. Aber …«
»Hey, Dani!«, ruft eine raue Männerstimme von unten herauf. »Dein Hamburger!«
»Ja, gleich!«, ruft sie zurück, und zu Christina sagt sie: »Aber es heißt, es ist von nationalem Interesse. Fortschritt und Unabhängigkeit von China und so ein Zeug. Ist ein ziemlicher Krieg hier.« Sie wendet sich zur Treppe. »Aber jetzt hol ich Ihren Hamburger, nicht dass er noch kalt wird. Das Ganze hat Ihnen doch hoffentlich nicht den Appetit verdorben?«
Dazu braucht es schon mehr, denkt Christina und geht hinter Dani die Treppe zum Gastraum hinunter.
Auf einmal hat sie es eilig wegzukommen. Doch da stellt Dani ihr schon den Teller auf den Tisch.
»Dani, tun Sie mir einen Gefallen, packen Sie ihn mir ein, ja?«
Die Bedienung schaut sie verwundert an, dann lächelt sie. »Klar doch, kein Problem. Ich hab Ihnen wirklich nicht den Appetit …?«
»Nein, ich denke nur, ich sollte vor dem Schnee losfahren.«
Christina schließt die Augen. Plötzlich ist sie wieder da, die Panik. Hektisch tastet sie nach ihrem Handy und wählt die Nummer ihrer Mutter.
Doch niemand nimmt ab. Natürlich nicht, sie ist ja sicher im Krankenhaus, wo sie nicht telefonieren darf.
Endlich kommt Dani mit der Tüte und der Rechnung. Christina bezahlt und geht zur Tür.
»Warten Sie!« Dani folgt ihr nach draußen. »Ich konnte da drinnen nicht so reden. Mein Chef ist nämlich für die Mine. Er sagt, da kommen dann endlich mehr Fernfahrer und andere Gäste vorbei, und außerdem soll hier auch noch dieses Center gebaut werden.«
»Welches Center?«
»Ein Think Tank . Haben Sie nicht die Schilder hinter der Tankstelle gesehen? Da finden dann jede Menge Kongresse statt und so. Das belebt die Gegend, die Leute müssen dann hier übernachten und wollen ja auch was essen. Haben Sie mal gesehen, wie viele Häuser hier leer stehen? In der Main Street verfällt jedes zweite Haus. Inzwischen ziehen selbst die weg, die eigentlich bleiben wollten.« Sie wirft einen schnellen Blick zur Tür.
»Und wenn die Mine wieder schließen muss, dann bauen sie den Think Tank nicht, und es ziehen noch mehr Leute weg«, sagt Christina, und Dani nickt. »Und Sie, wie stehen Sie zur Mine? Haben Sie auch Angst, Ihren Job zu verlieren?«
»Ich bin dagegen«, sagt Dani ernst. »Mein Neffe hat Leukämie gehabt.«
»Dani!«, ruft die raue Männerstimme. »Wo, zum Teufel, bleibst du?«
»Mein Chef!« Sie dreht sich um und geht zurück.
»Leukämie? Wegen der Mine?«, ruft Christina noch hinter ihr her.
Nachdenklich geht sie zu ihrem Wagen und fährt Richtung Tankstelle. Auf einem großen Schild wird ein Bauprojekt angekündigt. Polycorp Minerals Think Tank , steht da.
Hinter den letzten Häusern verlässt sie die Hauptstraße, die sie nach Green Bay zurück nehmen würde. Der Wagen schlingert kurz über eine vereiste Stelle, sie folgt der schmaleren Straße einen bewaldeten Hügel hinauf. Inzwischen ist die Sonne hinter grauen Wolken verschwunden, und alles wirkt auf einmal bedrückend und bedrohlich.
Irgendwann wird die Fahrbahn schmaler, die schneebedeckten Zweige streifen beinahe das Auto.
Nach etwa einer Viertelmeile steht Christina vor einem hohen Bauzaun aus Maschendraht. Sie steigt aus,
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