Der Skandal (German Edition)
die Kälte überfällt sie. Die Dämmerung ist schneller gekommen, als sie erwartet hat. Sie lässt die Scheinwerfer brennen.
Die Bauarbeiten ruhen, weil es so kalt ist. Ein Think Tank wäre für diese Gegend tatsächlich etwas Besonderes. Hotels, Motels, Unterkünfte müssen gebaut werden. Das gäbe eine Menge Jobs. Die Region würde an Attraktivität gewinnen, das versteht sie.
Am Rande des Zauns fällt ihr ein Schild auf. Schnee und Eis haben sich darauf festgesetzt, und Christina kann nur Milwaukee entziffern.
Christina blickt sich noch einmal um, dann geht sie zurück zum Auto, wendet und fährt zurück Richtung Highway. Inzwischen hat es angefangen zu schneien. Sie muss sich beeilen, dass sie von hier wegkommt.
Als sie auf die Straße nach Ashland stößt, sieht sie im Rückspiegel Scheinwerfer aufblinken. Sie fährt an den Bordstein und tastet nach ihrer Waffe im Schulterholster. Mit laufendem Motor bleibt sie stehen. Der andere Wagen hält hinter ihr an. Die Fahrertür geht auf.
Im Licht des Scheinwerfers kommt eine dunkle Gestalt auf sie zu. Christina zieht die Waffe aus dem Holster und wartet, bis die Gestalt zum Seitenfenster gekommen ist.
Die Gestalt, die einen dunklen Parka trägt, bedeutet ihr, das Fenster herunterzulassen. Das Gesicht wird von der Kapuze verdeckt. Sie entsichert die Waffe. Endlich streift die Gestalt die Kapuze ab. Christina atmet auf und lässt das Fenster herunter.
»Ist ziemlich gefährlich, was du da machst, Pete!«
Er beugt sich zum Fenster herunter und entdeckt ihre Waffe. »Ich hab glatt vergessen, dass du Cop bist!«
Sie steckt die Smith & Wesson wieder zurück.
»Ich hab dein Auto erkannt«, sagt er. »Sie hat nicht auf mich gehört, hab ich gedacht. Sie hätte schon längst weg sein müssen. Hast du es nicht im Radio gehört? Der Sturm muss jeden Moment den Ort treffen. Ich würde dir vorschlagen, hier zu übernachten.«
Der Himmel hat sich noch mehr verdüstert, durchs Fenster bläst ein scharfer Wind. Auch der Schnee fällt immer dichter.
Sie will nach Hause, aber die Vernunft sagt ihr, dass er recht hat.
»Okay, und wo übernachtet man hier?«
»Ich fahr vor dir her. Ist nicht weit.«
Sie will noch ihrer Mutter Bescheid geben, dass sie heute Nacht nicht nach Hause kommt. Aber sie hat keinen Empfang.
5
Die Scheibenwischer schaffen es kaum noch, die dicken Flocken zur Seite zu schieben, und im Kegel der Scheinwerfer wirkt das Schneegestöber noch wilder.
Christina hat sich übers Lenkrad gebeugt, um wenigstens schemenhaft die weißen Markierungen auf der Fahrbahn zu erkennen und die Rücklichter von Petes Auto nicht aus den Augen zu verlieren. Sie hat keine Orientierung mehr. Irgendwann sind sie links abgebogen in eine Nebenstraße. Die ist übersät von Schlaglöchern, hohe Schneemauern türmen sich bedrohlich auf.
Pete bremst, sie kann gerade noch reagieren. Fluchend fährt sie wieder an. Wenig später biegt er in eine Toreinfahrt ein. Nach ein paar Metern hält er an und steigt aus. Schummrige Lichter lassen ein lang gestrecktes flaches Gebäude erkennen. Schwache Lichter tauchen es in ein kränklich gelbes Licht. Großartig, denkt Christina. Sie macht die Autotür auf, der Wind reißt sie ihr sofort aus der Hand. Sie beeilt sich, durchs Schneegestöber unters schützende Dach zu kommen.
Pete nimmt sie kurz in die Arme. Sein dicker Parka ist weich, und es irritiert sie, dass ihr so etwas auffällt.
»Es ist nicht so übel, wie es aussieht. Ich bin seit gestern hier«, sagt er und hält ihr die Tür auf.
»Manchmal hat man keine Wahl«, brummt sie.
Drinnen ist es immerhin warm. Sofort schmelzen die Schneeflocken auf ihren Haaren, und Wasser rinnt ihr in die Augen. Christina sieht sich um: eine mit Aufklebern geschmückte Theke, dahinter ein übergewichtiger Typ mit gezwirbeltem Schnurrbart und Glatze.
»Hey Leute! Habt ihr’s vorm Weltuntergang noch geschafft?«
»Hallo Fred, sieht ganz so aus. Das ist Christina, wir brauchen noch ein Zimmer. Das schönste natürlich.«
»Ich sag immer: Echte Liebe braucht so was nicht!« Fred grinst Christina an.
»Ein anderes Zimmer, Fred«, erwidert Christina, und sie weiß, wie humorlos das klingt.
»Oh, Entschuldigung! Aber ich dachte, so eine attraktive Frau wie Sie …« Sein Blick gleitet zu Pete.
Der sagt nüchtern: »Ist noch was frei, Fred?«
Fred seufzt. »Bei dem Mistwetter? Ich bin bis aufs letzte Loch ausgebucht. Sie haben gestern das letzte Zimmer gekriegt.«
Sein Blick geht neugierig
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