Der Skandal (German Edition)
ins Straucheln gebracht. Allein ihre Stimme macht ihn aggressiv.
»Wie aber erklären Sie sich dann die Aktion vom gestrigen Abend?«, fragt sie spitz. »In der Tiefgarage des Bürohauses, in dem sich das von Polycorp Minerals beauftragte Architekturbüro befindet, haben Umweltschützer die Reifen von mehr als dreißig Autos aufgestochen.«
Und Sie haben Ihre Freude daran, oder?, würde er ihr am liebsten entgegenhalten, aber er sagt lässig: »Es gibt keinerlei Beweise dafür, dass es Umweltschützer waren. Das waren Chaoten! Leute, die gegen alles sind und die Freude daran haben, fremdes Eigentum zu zerstören!«
Schon wendet er sich dem nächsten Fragenden zu. Mit Nichtbeachtung kann er solche Typen wie die Blonde am meisten ärgern.
»Mit der Wiedereröffnung von Minen wird aber auch wiederhergestellte Natur zerstört«, hört er den Wichtigtuer von der Madison Times sagen. »Gerade oben in Ashland war ein See entstanden, es ging um touristische Erschließung. Jetzt stehen die Leute, die darauf gesetzt haben, vor dem Nichts!«
Du alte Schwuchtel kommst mir gerade recht, denkt Ochs und sagt freundlich: »Waren Sie schon einmal dort oben? Haben Sie gesehen, wie unsere Vorfahren das Land ausgebeutet haben? Pelzjäger haben Bären und Wölfe getötet, die Holzindustrie hat riesige Urwälder abgeholzt, und die Bergbauindustrie hat auf der Suche nach Erzen und dem Braunen Sandstein ganze Gebirgszüge abgetragen!«, echauffiert er sich. »Das Land wurde rigoros ausgebeutet, um Chicago zu erbauen, um Schiffe zu bauen – um Wohlstand und Fortschritt zu schaffen.« Er lässt diese gewaltigen Worte einen Augenblick lang nachhallen. Dann sagt er: »Heute zerstört man keine Wälder mehr. Die Natur ist unser höchstes Gut. Der Abbau wird mit modernsten und schonenden Methoden betrieben. Und es wird ein Material gewonnen, das gerade dazu beiträgt, die Natur zu schützen! Neodym brauchen wir, um modernste Magnete herzustellen, ohne die auch Windräder nicht funktionieren würden.«
Zack! Keine Zeit geben für eine Gegenfrage, sondern gleich zum Nächsten!
»Es ist eine wasserreiche Gegend da oben, besteht da nicht die Gefahr, dass das Grundwasser kontaminiert wird?«, kommt als Einwand.
»Natürlich wurde diese Möglichkeit im Gutachten berücksichtigt! Keinem von uns ist daran gelegen, Risiken für Mensch und Natur einzugehen.« Er lächelt nachsichtig, zuversichtlich, Vertrauen ausstrahlend.
»Warum können wir Neodym nicht weiterhin importieren?«
Das kommt von seiner Lieblingsjournalistin, seiner Stichwortgeberin. Er schenkt ihr ein herzliches, wenn auch kurzes Lächeln und antwortet: »China hat nicht vor, die Exportbeschränkungen aufzuheben. Wollen wir uns die Möglichkeiten von Forschung und Fortschritt nehmen lassen? Wollen wir uns etwa Chinas Diktat unterwerfen? Wollen wir das?« Manchmal spürt er eine solche Wut in sich … Er muss weiterreden: »Mit dieser Entscheidung, Minen wieder zu eröffnen, den Bergbau wieder aufzunehmen, stärken wir auch unser Land. Unsere Werte, unsere Demokratie. Wer von den jungen Leuten hält unsere Demokratie denn noch für etwas Besonderes?« Er lässt seine Stimme lauter werden. »Wer weiß denn heutzutage noch, mit wie viel Blut sie erkämpft wurde?« Seine Stimme steigert sich ins Leidenschaftliche.
Er holt Luft für das krönende Ende: »Das Projekt in Ashland ist ein patriotischer Akt. Wir können stolz darauf sein!« Ein großartiges Ende, findet er.
Doch ein paar Zwischenrufer wollen ihm das vermiesen.
Die Schwuchtel schon wieder: »Herr Gouverneur, Ihnen wird vorgeworfen, sich diktatorisch zu verhalten! Was sagen Sie dazu?«
Eigentlich will er sich nicht auf dieses Niveau begeben, aber er kann nicht anders und sagt: »Wenn ich ein Diktator wäre, würde ich solche Fragen gar nicht zulassen, und Sie …«, und er macht eine kurze Pause, »… wären dann gar nicht hier!«
Seine Claqueure klatschen, er nickt würdevoll, bedenkt die Journalisten und die Kamera mit seinem typischen Zuversicht ausstrahlenden Blick und verlässt das Rednerpult.
An der Tür entdeckt er seinen Bruder Frank. »Hast du das gerade gehört? Hey, was machst du für ein Gesicht?«
Er klopft seinem Bruder aufmunternd auf die Schulter, während die beiden und sein Gefolge, sofort von Bodyguards abgeschirmt, durch den Flur hinaus in die Lobby gehen.
»Weißt du, dass Leute gegen dich demonstrieren?«, fragt Frank.
»Es protestieren immer irgendwelche Idioten«, gibt er zurück. »Die haben
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