Der Skandal (German Edition)
von nichts eine Ahnung, hetzen die Leute auf, nur damit sie ins Fernsehen kommen!« Er behält seine freundliche Miene, das kann er, er weiß, dass bestimmt irgendein Arschloch gerade die Kamera auf ihn gerichtet hat. »Wie die Schmeißfliegen, sieh sie dir an!«, raunt er seinem Bruder zu, als die Journalisten mit ihren Mikros und Kameras auf ihn zustürzen. »Wenn ich könnte, würde ich das verbieten, das sag ich dir!«
»Gouverneur Ochs, Ihre Umfragewerte sind nach der Zerschlagung der Gewerkschaften gesunken, wie wollen Sie die Wahl gewinnen?«
Ochs sucht den Fragesteller in der gestikulierenden und durcheinanderrufenden Menge. Da ist er, ganz vorn, der Kleine mit dem für sein Alter lächerlich jugendlichen Haarschnitt. Ochs setzt sein freundlichstes Lächeln auf. »Mit Mut und Entschlossenheit. Die Menschen in Wisconsin wissen, dass ich für sie eintrete und kämpfe!«
»Das sehen viele aber ganz anders!«
Frank will ihn weiterziehen. »Der Wagen wartet …« Doch Ochs wendet sich noch einmal dem Fragesteller zu. »Wissen Sie, es gibt immer Menschen, die eine andere Sicht der Dinge haben. Das ist Demokratie.« Mit einer Spur Triumph im Lächeln geht er weiter.
»Kommst du mit zum Lunch?«, fragt er seinen Bruder.
»Eigentlich wollte ich dich das fragen«, sagt Frank.
Ochs lacht und klopft ihm auf den Bauch.
»Gouverneur Ochs! Sie sind die Hoffnung vieler Menschen!«
Er bleibt stehen und sieht ein Mikrofon auf sich gerichtet, das ein schmächtiger Typ mit Intellektuellenbrille hält. Für einen kurzen Moment läuten seine Alarmglocken. Solche Kerle sind immer falsch – und respektlos.
»Das freut mich zu hören! Danke!«
Er wundert sich, dass der Typ nicht weiterfragt. Manchmal täuscht auch er sich.
»Siehst du«, sagt Ochs zu seinem Bruder, »es gibt auch noch die anderen, die meine Werte und Vorstellungen teilen! Du kannst dich ruhig mal für mich freuen, Frankie-Boy!« Er ist jetzt wieder bestens gelaunt.
»Das tue ich die ganze Zeit. Was ist jetzt mit unserem Lunch?«
»Moment noch«, Ochs zeigt zum Gang mit den Toiletten, »zu viel Kaffee.«
Ochs stößt die Tür zum Vorraum auf und wirft sich einen kurzen Blick im Spiegel zu. Er ist zufrieden mit sich. Er hat sich noch nie als sonderlich gut aussehend empfunden, aber diesen Mangel macht er wieder gut durch seine Souveränität und Selbstsicherheit, die sich in seinem Gesicht widerspiegeln.
Er trocknet sich gerade die Hände ab, als sich die Tür öffnet und der Typ mit der Intellektuellenbrille hereinkommt. Ochs wundert sich, sonst sind die Toiletten für die Öffentlichkeit abgesperrt, aber nickt ihm zu und will hinausgehen, als der Typ ihn anspricht.
»Es gibt Hinweise, dass Sie sich persönlich an der Redmill Mine bereichern.«
Ochs ist so perplex, dass er ein paar Sekunden braucht, um zu reagieren.
»Ach ja?« Instinktiv geht er auf den Typen zu, den er um fast einen halben Kopf überragt, und bleibt direkt vor ihm stehen.
»Wissen Sie, dass ich Sie wegen Verleumdung anzeigen kann?«
»Wenn Sie glauben, dass Sie mir damit Angst einjagen können, dann liegen Sie falsch«, erwidert der Typ.
Ochs lacht. »Warum sollte ich das wollen? Hören Sie, behalten Sie Ihren Bullshit einfach für sich, okay?« Mit einem verletzend gönnerhaften Lächeln lässt er den Typen stehen und will zur Tür.
»Es gibt aber Beweise«, sagt der Typ.
»Beweise? Wovon sprechen Sie überhaupt?«
»Verbindungen zwischen Ihnen und Charles Frenette.«
»Wissen Sie, Mr. …«
»Springsteen.«
»Mr. Springsteen, Sie sind ein kleines, unbedeutendes Licht, würde ich mal sagen. Ich habe noch nie etwas von ihnen gehört oder gelesen. Und jetzt glauben Sie, dass Sie ganz groß rauskommen, wenn Sie solche Sachen in die Welt setzen? Ich kenne solche Typen wie Sie.«
Er tritt zu ihm und nimmt ihm die Brille ab. »Hab ich mir gedacht. Ohne dieses modische Ding sind Sie gar nichts.« Er klappt die Brille zusammen, stopft sie Mr. Springsteen in die Brusttasche, schenkt ihm noch ein gönnerhaftes Lächeln und wendet sich um.
»Ich mach Sie fertig, Sie Diktatorenschwein!«
Es geht ganz schnell, Ochs gibt ihm einen Faustschlag auf die Nase, Springsteen kippt aufjaulend nach hinten, während ihm Blut aus der Nase schießt.
Im selben Augenblick stürzen die Bodyguards herein, wollen ihn, Carl H. Ochs, packen und in Sicherheit bringen, doch er schüttelt sie ab.
»Wichser!«, zischt er Springsteen noch zu, der sich die Hand auf die blutende Nase drückt.
Auf einmal
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