Der Sklave von Midkemia
Soldaten maßt du dir ziemlich viel Wissen an«, bemerkte Mara eisig.
Kevin versteifte sich und verfiel jäh in merkwürdiges, unerklärliches Schweigen. Er hielt ihren Blick fest, immer noch unwillig, die Diskussion zu beenden. Mara war so sehr mit der Frage beschäftigt, weshalb er plötzlich wieder so geheimnisvoll tat, daß sie den Läufer neben sich erst bemerkte, als er sie zum zweiten Mal ansprach.
»Mistress.« Der Junge verbeugte sich ehrerbietig. »Mylady, Nacoya bittet Euch, sofort zu ihr in die große Halle zu kommen. Ein kaiserlicher Bote wartet auf Euch.«
Die Farbe, eben noch Zeichen ihrer Wut, wich vollständig aus Maras Wangen. »Lujan soll sofort zu mir kommen«, befahl sie dem Läufer. Sie drehte sich auf dem Absatz um, als hätte sie Kevins Gegenwart und die Tatsache, daß sie noch wenige Sekunden zuvor in einem Streit in die Enge getrieben worden war, vergessen. In ziemlich unschicklicher Eile hastete sie den Gang entlang.
Kevin folgte ihr erwartungsgemäß. »Was ist los?«
Sie antwortete nicht, und der Läufer war bereits außer Hörweite verschwunden. Keineswegs entmutigt, vergrößerte Kevin seinen Schritt, bis er seine kleine Herrin eingeholt hatte. Er versuchte es noch einmal »Was hat ein kaiserlicher Bote zu bedeuten?«
»Schlechte Nachrichten«, erwiderte Mara kurz. »Wenn eine Nachricht vom Kaiser, dem Kriegsherrn oder dem Hohen Rat so schnell auf den Angriff der Minwanabi folgt, läßt das zumindest auf einen wichtigen Zug im Spiel des Rates schließen.«
Mara wich einer Gruppe von Haussklaven aus, die, über Körbe und Bürsten gebeugt, den polierten Holzboden schrubbten. Sie durchquerte das Atrium, an dessen Seite die großen Doppeltüren in die Halle führten; Kevin war ihr immer noch dicht auf den Fersen. Die Selbstsicherheit seiner Lady schien seit der Rückkehr von Lujans Kompanien ziemlich zerbrechlich. Sie hatte mehrfach betont, daß das Ziel des Überfalls sicherlich nicht einfach nur gewesen war, ihren Handel mit Seide zu ruinieren. Kevin konnte nicht jeder Wendung folgen, die die tsuranische Politik nahm. Im Gegensatz zu seinem Königreich erschien sie ihm voller verworrener Unlogik, doch er war fest entschlossen, an Maras Seite zu bleiben. Was sie bedrohte, bedrohte auch ihn, und er verspürte den tiefen Wunsch, sie zu beschützen.
Die Feuchtigkeit des Morgens hing noch in der düsteren Halle, deren Läden noch geschlossen waren, und die Kühle drang vom alten Steinboden durch die Ledersohlen der Sandalen bis in die Knochen. Als Kevin durch den weitläufigen Raum schritt, sah er Nacoya am Podest warten und hörte, wie Lujan hinter ihm eintrat. Doch seine Aufmerksamkeit richtete sich auf das Podium. Selbst in dem dämmrigen Licht strahlte ein ungewöhnliches, goldenes Leuchten von dort in alle Richtungen – in einem Land, in dem Metalle eine Seltenheit waren, war dies ein unerwarteter und seltsamer Anblick.
Der Bote saß auf einem schön gearbeiteten Kissen, und selbst seine Haltung war beeindruckend. Er war ein junger Mann mit kräftigen Muskeln und in seinem einfachen Kilt aus weißem Stoff hübsch anzusehen. Überkreuz gebundene Sandalen hüllten die staubigen Beine ein, die übrige Haut glänzte vor Feuchtigkeit. Die schulterlangen, schwarzen Haare wurden mit einem Band aus der Stirn zurückgehalten, das von seinem Rang kündete und aus abwechselnd goldenem und weißem Stoff bestand. Selbst im Schatten blitzte es. Das Garn war metallisch, echtes Gold, das Symbol des Kaisers von Tsuranuanni, dessen Wort er zu überbringen hatte.
Bei Maras Eintritt erhob er sich mit einer Verbeugung von seinem Platz. Arroganz lag in seiner Geste, denn wenn er auch ein Diener war und sie eine edle Lady, war doch das Wort seines Herrn das Gesetz des Landes, dem sich selbst die großen Häuser unterordnen mußten. Das Stirnband machte den Mann im ganzen Kaiserreich sakrosankt. Er konnte gefahrlos über ein Schlachtfeld laufen, auf dem sich zwei verfeindete Häuser bekämpften, und kein Soldat würde es wagen, sich ihm in den Weg zu stellen, wollte er nicht den Zorn des Kaisers auf sich ziehen. Der Bote kniete sich in eingeübter, eleganter Pose nieder und reichte ihr eine goldumrandete Rolle, die mit Goldkordeln zugebunden und mit dem Zeichen Ichindars versiegelt war.
Mara nahm das wichtige Schreiben entgegen; ihre Hände wirkten beinahe zerbrechlich vor dem Pergament. Sie öffnete das Siegel, zog die Schriftrolle auseinander und begann zu lesen, während Lujan seinen Platz an der
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