Der Sklave von Midkemia
»Ich werde einen Priester für ihn finden und ein Gebetstor als Dank dafür bezahlen, daß er die heilende Magie des Gottes beschworen hat.« Der Heiler rieb sich über die gewölbten Brauen und sah müde aus. »Lady, die Priester sind nicht so einfach zu gewinnen. Sie sind einzig und allein ihrem Gott ergeben, und für sie gelten gewöhnliche Dorfbewohner so viel wie selbst der Kaiser. Wenn Ihr einen Priester Hantukamas findet – und es gibt nicht sehr viele von ihnen –, wird kein Gebetstor ihn von der Pflege derjenigen wegreißen, die bereits in seiner Obhut sind – für das Wohl eines einzigen sterbenden Kriegers.«
Mara betrachtete den Mann mit seinen Säckchen nutzloser Heilmittel und seinen unwillkommenen Wahrheiten. Ihre Augen waren erbarmungslos. »Wir werden sehen, Heiler. Wir werden sehen.« Der Heiler erbebte unter ihrem Blick und verschwand rasch im Krankenzimmer. Maras Stimme verfolgte ihn, so leise und entschlossen wie ein Speerwurf. »Seht zu, daß er am Leben bleibt und es ihm gutgeht. Alles andere betrifft Euch nicht.«
Sie wiederholte dem Diener und dem gerade eingetroffenen Läufer ihre Anordnungen.
Der Heiler saß gebeugt an Keyokes Lager, fühlte den Puls an seinem trockenen, heißen Handgelenk und wandte die Augen im stillen Gebet an Chochocan und Hantukama gen Himmel. Nur ein Wunder konnte hier noch helfen. Keyoke wurde zusehends schwächer, und nicht ein einziges Mittel in seiner Tasche konnte ihn vor Turakamus Ruf retten. Der Heiler fuhr fort, das Weiße in Keyokes Augen zu untersuchen, dann überprüfte er die Verbände. Seine Götter und seine Herrin – in diesem Augenblick war es der Zorn seiner Lady, den er mehr fürchtete.
Die Vorbereitungen für den Krieg in Dustan brachten die gewohnten Tagesabläufe im Herrenhaus restlos durcheinander. In den Werkstätten der Handwerker mischte sich der Rhythmus des ständig zischenden Schleifrades mit den Rufen der Sklaven und Lehrlinge, die die Vorräte abluden, und der schwere, teerartige Gestank der Harztöpfe verdrängte den süßeren Duft der Akasi-Blüten. Der Geruch hing unabänderlich in der Luft und drang selbst in Maras Gemächer, als sie bei Morgengrauen am offenen Laden stand und hinausschaute.
»Komm wieder ins Bett«, murmelte Kevin schläfrig, während seine Blicke bewundernd an ihrem schlanken, nackten Körper entlangwanderten. »Wenn du dir schon unbedingt Sorgen machen mußt, wirst du entspannt und ausgeruht mehr Erfolg haben.«
Mara antwortete nicht, sondern starrte weiter auf den Nebel und die hin und her huschenden Schatten der Hirtenjungen, die hinauseilten, um sich um die Needras auf den Weiden zu kümmern. Doch sie nahm die Sklaven nicht wahr und auch nicht die sanfte Schönheit des Landes, das sie von ihren Ahnen geerbt hatte. Sie sah nur, wie tausend Soldaten der Minwanabi ihre Grenzen überquerten, fest entschlossen, die Ländereien der Acoma zu erobern.
Keyoke mußte am Leben bleiben, um während ihrer Abwesenheit die Leitung zu übernehmen, dachte Mara. Als hätte ihr Geliebter nichts gesagt, begann sie ein rituelles Gebet, um Lashimas Schutz heraufzubeschwören – für das Leben ihres Kriegsberaters, der im Koma lag und dem Roten Gott ausgeliefert war.
Kevin seufzte und streckte sich wie eine Raubkatze auf den Kissen, die seine Lady verlassen hatte. Dies war offensichtlich kein Morgen für Gespräche und Liebesspiele. Aber davon hatten sie in der vergangenen Nacht ohnehin recht viel gehabt, dachte der Midkemier und fuhr mit den Fingern durch seine Haare. Mara war überaus angespannt zu ihm gekommen, beinahe wütend, und sie war wenig zärtlich mit ihm umgegangen. Obwohl Mara gewöhnlich zufrieden war, durch sanftes Streicheln in Erregung versetzt zu werden, hatte sie sich wie verrückt vor Lust auf ihn geworfen. Sie war mit ihren Fingern so hart über seine Haut gefahren, daß beinahe Kratzer zurückgeblieben waren, obwohl sie jede Art von Gewalt im Schlafzimmer verabscheute. Und als sie ihre Erlösung schließlich in einem krampfartigen Gefühlsausbruch fand, hatte sie wild an seiner Schulter geschluchzt, bis ihre Haare ganz naß waren.
Kevin, der kein Tsurani war, hatte sich nicht abgestoßen gefühlt von ihrem Zusammenbruch. Er hatte gespürt, daß seine Lady Trost benötigte, und so hatte er sie einfach nur festgehalten und gestreichelt, bis sie erschöpft eingeschlafen war.
Jetzt, da sie aufrecht wie ein Schwert und schlank wie ein junges Mädchen am offenen Laden stand, begriff er, daß sie ihre
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