Der Sklave von Midkemia
stand ein niedriger Tisch mit Bechern und einem dampfenden Topf Chocha. Doch Mara machte keine Anstalten, sich zu setzen, eine Erfrischung zu sich zu nehmen und Klatsch und Tratsch auszutauschen, wie es sonst der Fall gewesen war. Statt dessen verbeugte sie sich vor der gewaltigen Königin der Cho-ja, wie es unter gleichrangigen Herrscherinnen üblich war. Die Königin war riesig; eine Menge Arbeiter kümmerten sich um sie. Ihr Mittelteil war von Trennwänden umgeben, hinter denen die Brüter und Rirari unaufhörlich an den Eiern arbeiteten, um den Bestand des Stockes zu sichern.
Mara war inzwischen an diesen Anblick gewöhnt und mußte nicht mehr neugierig hinsehen. Wachsam richtete sie sich wieder auf, denn die schiefe Kopfhaltung der Königin deutete darauf hin, daß sie wußte, es würde um etwas Ernstes gehen. Mara riß sich zusammen. »Herrscherin des Schwarmes, ich bedauere, Euch mitteilen zu müssen, daß Unheil über die Acoma hereingebrochen ist, zugefügt von unserem Feind, dem Haus Minwanabi.« Hier hielt Mara inne und wartete aus Höflichkeit auf ein Zeichen der Königin fortzufahren.
Doch abgesehen von der niemals aufhörenden hastigen Geschäftigkeit der Brüter geschah nichts. Ganze Reihen von Kriegern und Arbeitern mochten in dem Gang hinter dem Vorzimmer herummarschieren, doch jene, die auf ihren Vordergliedern bei der Königin hockten, verhielten sich so still wie Statuen.
Da Mara auch kein noch so kleines Winken des Vordergliedes als Zeichen der Zusicherung erhalten hatte, sah sie die Königin des Schwarms direkt an. Für den nächsten Satz raffte sie all ihren Mut zusammen.
»Große Königin, der Hohe Rat fordert von den Acoma, mit vier Kompanien die Grenzen des Kaiserreiches in Dustari zu verteidigen. Doch wenn ich unseren Landsitz nicht ohne jeden Schutz zurücklassen will, kann ich nur drei Kompanien aus Menschen zusammenstellen und über den Ozean schicken. Es ist daher meine innigste Hoffnung, daß Ihr Euch auf einen Handel einlaßt und eine zusätzliche Kompanie Krieger ausbrütet, damit ich dem Befehl des Hohen Rates entsprechen kann.«
Die Königin schwieg. Mara wartete mit angehaltenem Atem und bemühte sich um Haltung. Aus dem Augenwinkel nahm sie die Anspannung ihres Befehlshabers wahr, dessen Entsprechung bei den Cho-ja reglos danebenhocktc.
Schließlich bewegte die Königin eines ihrer Vorderglieder. »Wer wird diese Kompanie ausrüsten, Mara von den Acoma?«
Die Lady atmete tief aus; sie versuchte sich die Erleichterung darüber, daß ihre Bitte nicht als Unverschämtheit betrachtet wurde, nicht anmerken zu lassen. »Meine Schatzkammer wird die Kosten übernehmen, edle Königin, sofern Ihr meinem Ersuchen nachkommen wollt.«
Die Königin neigte ihren gewaltigen Kopf, und ihre Mundwerkzeuge bewegten sich sanft auf und ab. »Ich werde Euer Ersuchen gegen angemessene Bezahlung erfüllen«, sagte sie, und die Unterhaltung wandelte sich zu etwas, das zumindest in Maras Ohren ganz wie ein Feilschen zwischen zwei Händlern klang.
Die Forderungen der Königin waren hoch. Doch Jican hatte in ihr einen Sinn für den Wert der Dinge geweckt, und Mara lernte rasch. Sie schien zu spüren, welche Forderungen unabänderlich waren, welche ausgesprochen unverschämt und von welchen von vornherein angenommen wurde, daß sie abgelehnt würden. Am Ende einigten sie sich auf eine Mischung aus Münzen und Waren, die etwa ein Drittel über dem Wert lag, den sie für Söldner hätte bezahlen müssen; dennoch war der Preis vermutlich gerecht, denn die Kompanie der Cho-ja unterstand nur ihrem Befehl, konnte weder von Spionen ausgehorcht noch von Feinden beeinflußt werden – und die Krieger würden ganz sicher nicht beim ersten Anzeichen einer möglichen Niederlage vom Schlachtfeld flüchten.
Um die Forderungen der Königin erfüllen zu können, würde sie so viele Needras verkaufen müssen, daß die Herden wahrscheinlich drei Jahre brauchen würden, um sich zu erholen. Als die Verhandlungen beendet waren, betupfte Mara mit einem kleinen bestickten Tuch ihre feuchte Stirn und stieß einen kaum wahrnehmbaren Seufzer aus.
Die Cho-ja-Königin hörte es. »Lady der Acoma«, dröhnte sie in freundlicherem Ton, »es scheint mir, daß Ihr nervös seid oder Euch zumindest gerade von einigem Unbehagen erholt. Mangelt es an unserer Gastfreundschaft, Eure Bedürfnisse zu erfüllen?«
Mara fuhr zusammen. »Nein, edle Königin. Die Gastfreundschaft Eures Schwarmes ist immer vorzüglich.« Sie hielt inne, dann
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