Der Sklave von Midkemia
Ozeanen aus Sand. Die Sonne brannte von einem blaßgrünen Himmel und erzeugte flirrende Hitzewellen, während immer wieder Staub aufwirbelte. Es war der rauhe Fels selbst, der in Rot, Schwarz und Ocker zu glühen schien. Das Feuer, das ihn geboren hatte, schien noch frisch und jeden Tag mit dem klaren Sonnenaufgang erneuert zu werden.
Die Nächte dagegen waren kühl, und trockene Windstöße stachen wie Eisnadeln durch die Kleidung. Es war nicht verwunderlich, daß die Treiber und einheimischen Führer ihre Gesichter mit den Halstüchern vor dem Wind und dem Sand schützten. Die Felsen waren seit Jahrhunderten diesem Wetter ausgesetzt, und ihre seltsamen Formationen erinnerten an Türme oder an Tellerstapel, manchmal auch an teuflische Säulen, die geradewegs in den kelewanesischen Himmel ragten. Kevin und Mara starrten diese Formen fasziniert an – zumindest bis zum ersten Überfall der Wüstenkrieger, die auf einem steilen Pfad knapp unterhalb eines hochgelegenen Passes angriffen.
Zuerst war nur ein ohrenbetäubendes Geschrei zu hören, und Unruhe breitete sich bei den vorderen Packtieren aus, so daß Mara die Vorhänge ihres Palankins zurückschob. »Was ist los?«
Lujan bedeutete ihr, sich zurückzuhalten, dann zog er sein Schwert. Mara blinzelte an ihm vorbei und sah zwischen den Reihen ihrer Ehrengarde hindurch kleine, breitschultrige Gestalten in graubraunen Gewändern aus einer Spalte zwischen den Felsen angreifen. Sie grabschten kreischend nach den Zügeln einiger blökender Packtiere und zogen sie von der Straße. Die Biester, die selbst auf Geröll sicher auf den Füßen waren, bockten und scheuten, als die Krieger in den Farben der Xacatecas sie den Abhang hinunter verfolgten.
Lujan rief seinem Truppenführer etwas zu und machte eine ausladende Geste mit dem Schwert. Weiter hinten, etwa zwei Serpentinen unterhalb ihrer Position, lösten sich Soldaten der Acoma aus der Karawane. Ein Trupp Cho-ja folgte ihnen und überholte sie rasch. Die Männer, die weniger trittfest waren als die insektenähnlichen Wesen, schwärmten in einem breiten Ring aus, um den Wüstenkriegern den Weg abzuschneiden, während die Cho-ja mit ihrem Befehlshaber an der Spitze an ihnen vorbeipreschten und in einem großen Bogen unterhalb der Banditen auf den Pfad gelangten.
»Gehorcht den Befehlen von Lord Chipinos Offizieren«, befahl Lujan seinen Soldaten. Dann rief der Lord der Xacatecas von seiner Sänfte aus Mara etwas zu, und sie packte ihren Kommandeur am Ärmel.
»Der Lord möchte keine Gefangenen machen«, erklärte sie.
Lujan gab den Befehl weiter.
Mit aufgerissenen Augen erlebte Kevin, wie die Cho-ja die Banditen angriffen. Die kleinen Wüstenmänner blieben abrupt stehen, als sie die schwarzglänzenden Insektenwesen auf sich zustürmen sahen – die Helme fest auf den alles andere als menschlich aussehenden Köpfen, die rasiermesserscharfen Vorderglieder zum Töten erhoben. Die Banditen trieben die Tiere mit Schlägen und Flüchen vorwärts und versuchten die Reihen der Cho-ja zu sprengen. Doch Lax’ls Krieger waren flink, kaum mehr als schwarze, verschwommene Schemen im Sonnenlicht, und sie wichen den vor Angst fast verrückten Querdidra mit Leichtigkeit aus. Es wirkte fast schon unheimlich, wie sie, ohne einen Laut von sich zu geben – abgesehen vom Klicken ihrer mit Haken versehenen Füße auf den Felsbrocken – immer weiter vorrückten. Die Wüstenkrieger drehten sich verzweifelt um und versuchten davonzulaufen.
Das folgende Blutbad war kurz. Kevin, der Cho-ja niemals im Krieg erlebt hatte, bekam eine Gänsehaut. Er hatte eine Menge Männer sterben sehen, doch niemals hatte er erlebt, wie sie von hinten aufgeschlitzt wurden, mit einem einzigen Hieb dieser schwarzen Chitinklingen an den Vordergliedern. Die Cho-ja waren schnell, tödlich – und erschreckend gründlich.
»Eure Cho-ja machen kurzen Prozeß mit den Nomaden«, bemerkte Lord Chipino grimmig. Er schien keine rechte Freude an dem Gemetzel zu finden. »Vielleicht überlegen sie es sich in Zukunft zweimal, bevor sie unsere Proviant-Karawanen auf dem Weg nach Ilama überfallen.«
Mara nahm einen Fächer in die Hand und öffnete ihn nachdenklich. Sie fächelte sich Luft zu, aber mehr wegen ihrer Nerven als wegen der Hitze. Obwohl sie kein großes Interesse an kriegerischen Dingen hatte, war sie beim Anblick des Blutbads nicht aus der Fassung geraten. »Warum sollten sie eine so gut bewachte Karawane überfallen? Bei Lashima, sehen sie denn nicht,
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