Der Sklave von Midkemia
Regierung des Königreichs beschrieb. Lange Schatten warfen ein Streifenmuster auf die Laden, als ihr Interesse langsam erlahmte. Kevins Stimme klang mittlerweile heiser und rauh. Da auch sie durstig war, ließ sie kalte Fruchtsäfte bringen. Nachdem die Dienerin zuerst Mara bedient hatte, schenkte sie nach einem Wink ihrer Herrin auch Kevin etwas ein.
Mara erkundigte sich anschließend nach der Arbeit mit Metallen, einer Kunst, über die ihre Leute wenig wußten, da diese Substanzen auf Kelewan rar waren. Es erschien ihr unvorstellbar, daß die Bauern Midkemias Eisen, Messing und Kupfer besaßen. Kevins Behauptung, daß sie gelegentlich auch über Silber und Gold verfügten, war ganz und gar unglaublich. Ihr Staunen über solche Wunder drängte das Gefühl der Unterschiede zwischen ihnen zurück. Kevin reagierte mit einem immer breiter werdenden Lächeln. Seine unbeschwerte Art erweckte ein Verlangen in ihr, dem nachzugeben sie sich niemals gestattet hatte. Maras Augen wanderten über die Linien seines Körpers, folgten den Gesten seiner starken, schönen Hände, als er versuchte, etwas zu erklären, für das ihm die Worte fehlten. Er sprach von Schmieden, die Eisen bearbeiteten und jene harten, sichelförmigen Schuhe herstellten, die unter den Hufen der Tiere befestigt wurden, auf denen die Krieger ritten. Wie selbstverständlich mündete die Unterhaltung in ein lebhaftes Gespräch über verschiedene Taktiken und in der gegenseitigen Erkenntnis, daß die Midkemier die Cho-ja für einen ebenso schrecklichen Gegner hielten wie die Tsurani die Reiter auf den Pferden.
»Du hast viel zu erzählen«, sagte Mara schließlich. Ein Hauch von Röte auf ihrem Gesicht verriet ihr Vergnügen an dem Gespräch. In diesem Augenblick klopfte Nacoya an der Tür, um sie an die nachmittägliche Versammlung mit ihren Vertrauten zu erinnern.
Mara richtete sich auf; verblüfft erkannte sie, daß der Tag schon weit fortgeschritten war. Sie blickte auf die langen Schatten, betrachtete die Schüsseln mit den Schalen der Früchte und die leeren Krüge und Becher auf dem Tisch. Im ehrlichen Bedauern, das Gespräch abbrechen zu müssen, winkte sie ihre Leibdienerin herbei. »Nimm diesen Barbaren mit, und sorge dafür, daß es ihm gutgeht. Er soll ein Bad nehmen und Salbe auf die Wunden auftragen. Dann besorge ihm eine Robe, und laß ihn in meinen Gemächern warten, denn ich möchte mich weiter mit ihm unterhalten, wenn ich meine geschäftlichen Angelegenheiten erledigt habe.«
Die Dienerin verbeugte sich und bedeutete Kevin, ihr zu folgen. Der Barbar streckte seine langen Beine aus und erhob sich schwerfällig von den Kissen. Er verzog das Gesicht vor Schmerz und sah dann, daß die Lady ihn immer noch beobachtete. Mit einem ironischen Lächeln auf den Lippen warf er ihr ohne jede Demut eine Kußhand zu; dann eilte er der Dienerin hinterher.
Nacoya kniff die Augen bei dieser Abschiedsgeste zusammen und runzelte die Stirn. Ihre Herrin dagegen zeigte mehr Verwunderung als Wut über die dreiste Vertraulichkeit. Plötzlich mußte Mara ein Lächeln hinter ihrer Hand verbergen; sie schien sich kaum zurückhalten zu können. Nacoyas Mißfallen mündete jetzt in einen Verdacht. »Mylady, Ihr müßt aufpassen. Eine weise Herrscherin enthüllt ihr Herz nicht gegenüber einem Sklaven.«
»Dieser Mann?« Mara versteifte sich überrascht und errötete. »Er ist ein Barbar. Ich bin fasziniert von diesen seltsamen Menschen, nichts weiter.« Dann seufzte sie. »Seine Kußhand war eine Geste, die Lano immer gemacht hat, als wir klein waren«, erklärte sie und dachte an den toten Bruder, den sie als Kind vergöttert hatte. »Erinnerst du dich?«
Nacoya hatte Mara von Beginn an aufgezogen, und die Erinnerung an Lanokotas Geste bereitete der alten Amme keine Sorgen. Was ihr jedoch Sorgen machte, war die Reaktion ihrer Herrin.
Mara strich ihre Robe sorgfältig über den Hüften glatt. »Nacoya, du weißt, ich habe kein Bedürfnis nach einem Mann.« Sie hielt in der Bewegung inne, und ihre Hände ballten sich zu Fäusten. »Ich weiß, daß einige Ladies gutaussehende Männer als Sänftenträger einsetzen, um sich nach Lust und Laune … persönliche Bedürfnisse erfüllen zu lassen. Aber ich bin … nicht an solchen Zerstreuungen interessiert.« Selbst in ihren Ohren klang das nur wenig überzeugend.
Mara war verwirrt von dem inneren Drang, etwas zu diskutieren, das eigentlich keiner Rechtfertigung bedurfte, und sie beendete das Thema mit einer
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