Der Sklave von Midkemia
großer Erregung kündete. Keyoke lehnte sich wieder in seine Kissen zurück und löste seine Hand vom Schwertgriff, als Nacoya zu ihrer Herrin ging und sie noch während der üblichen Verbeugung schalt.
»Mylady, seht Euch nur Eure Kleider an!« Die alte Amme wandte ihre Augen verzweifelt gen Himmel.
Überrascht blickte Mara auf ihr Hausgewand, das sie in der Hitze etwas geöffnet hatte. Staub klebte am Kragen von ihrem Besuch beim Stamm der Cho-ja.
»Und erst Eure Haare!« Nacoya fuhr in ihrer Tirade fort; jetzt fuchtelte sie zusätzlich auch noch mit ihrem Finger. »Das reinste Chaos! Alles ist verwirrt und verknotet statt glänzend und duftend. Wir werden mindestens ein Dutzend Zofen brauchen.« Dann schien sie Keyokes und Arakasis Gegenwart zu bemerken und schimpfte in neu aufflackernder Wut weiter. »Hinaus!« schrie sie. »Eure Herrin muß schnellstens zurechtgemacht werden, damit sie sich präsentieren kann.«
»Nacoya!« rief Mara. »Aus welchem Grund störst du meine Zusammenkunft und befiehlst über meine Offiziere, als wären sie Bedienstete? Und warum ist es plötzlich so wichtig, wie ich aussehe?«
Nacoya wurde steif wie ein abgestochener Jiga-Vogel. »Um der heiligen Lashima willen, Lady, wie konntet Ihr das vergessen? Wie konntet Ihr nur?«
»Vergessen?« Mara strich ehrlich verwirrt eine Strähne ihrer Haare zurück. »Was vergessen?« Jetzt war Nacoya beleidigt und sagte erst einmal gar nichts. Arakasi schaltete sich mit ruhiger Stimme ein und antwortete für sie: »Die kleine Großmutter bezieht sich höchstwahrscheinlich auf Hokanu von den Shinzawai, dessen Gefolgschaft ich auf der Straße von Sulan-Qu begegnet bin.«
Die Erste Beraterin der Acoma gewann jetzt mit aller Schärfe ihre Haltung zurück. »Die Bitte des jungen Herrn lag eine Woche auf Eurem Tisch, Mylady. Ihr gabt ihm die Erlaubnis, Euch besuchen zu dürfen, und jetzt beleidigt Ihr ihn, indem Ihr nicht bereit seid, ihn zu begrüßen.«
Mara benutzte ein Wort, das sich ganz und gar nicht mit ihrer Position vertrug. Nacoya entfuhr ein weiterer kreischender Schrei, während Kevin offen grinste. Er hatte bei einem besonders farbenfroh sprechenden Sklaventreiber die beliebtesten tsuranischen Obszönitäten gelernt und sich das überaus verständliche Vokabular gut gemerkt.
Nacoya ließ ihrem Groll freien Lauf, indem sie laut in die Hände schlug, damit Maras Dienerinnen das Bad vorbereiteten. In dem jetzt einsetzenden Chaos der herumeilenden Sklavenmädchen, die Wasserschüsseln und Tücher herbeischleppten und jede Menge feiner, juwelenbesetzter Gewänder, entließ Mara ihren Kommandanten. Während drei Paar Hände ihr die Kleider vom Leib rissen, kämpfte sie eine Hand frei und deutete auf das Bündel mit den Seidenwaren, das sie von den Cho-ja mitgebracht hatte. »Arakasi, entscheidet Ihr, was wir mit ihnen tun sollen. Jican wird Euch erzählen, wann sie in Jamar ankommen müssen. Laßt Euch eine List einfallen, damit sie unbemerkt dorthin gelangen.«
Der Supai antwortete mit einer unauffälligen Verbeugung, nahm das Bündel auf und ging. Kevin blieb. Man hatte ihn auf dem Platz hinter den Kissen seiner Herrin vergessen, und dort verbrachte er auch die nächsten Minuten – voller Qual blickte er auf Mara, die in der Wanne stand, während ihre Dienerinnen heißes Wasser über ihren geschmeidigen Körper gossen. Dann setzte sie sich langsam und voller Anmut. Während sie sich in der Wanne entspannte, seiften die Frauen sie ein und wuschen ihr Haar, und Kevin erhaschte immer wieder einen Blick auf ihre nackte Haut. Reglos in der Ecke stehend, verfluchte er innerlich die unzureichende Bedeckung seines kurzen tsuranischen Gewandes, denn der Anblick seiner jungen Herrin veranlaßte seine Männlichkeit erneut, voller Anerkennung emporzusteigen. Wie ein beschämter Küchenjunge stand er da, beide Hände vor den Lenden verschränkt, und versuchte sich auf unangenehme Gedanken zu konzentrieren, die seinen unbeherrschbaren Körper wieder unter Kontrolle bringen würden.
Als die Lady der Acoma sich nach nur kurzer Zeit der Pflege durch ihre Dienerinnen und Zofen entzog, folgte Kevin an seinen üblichen Platz, hauptsächlich, weil niemand sich die Mühe gemacht hatte, ihm etwas anderes aufzutragen. Ordentlich zurechtgemacht, mit Juwelen geschmückt und in ein hübsches Obergewand gekleidet, auf das kleine Perlen und Smaragde aufgenäht waren, war Mara viel zu aufgeregt, um den barbarischen Sklaven zu bemerken, der seit nun beinahe einem
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