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Der Skorpion von Ipet-Isut

Der Skorpion von Ipet-Isut

Titel: Der Skorpion von Ipet-Isut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Napp
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Nutznießer? Hatte sie so Gefallen an den Dienstleistungen ihres Gardekommandanten Kemar gefunden, dass sie ihren ehemaligen Liebhaber loswerden wollte? Er würde einen seiner Vertrauten bei Hofe, den Sohn des Obersten Siegelschneiders, darauf ansetzen, mehr in Erfahrung zu bringen! Er musste wissen, wen Nefertari empfing, wem sie Botschaften sandte!
    Im Moment allerdings hatte er sich mit anderen Meldungen auseinander zu setzen.
    Er ließ sich auf einem Hocker zwischen den Regalreihen nieder, setzte die Öllampe ab und breitete die mitgebrachten Papyri vor sich aus. Er ahnte, dass die Nachrichten aus dem Delta schlecht waren, und die ersten Zeilen bestätigten dies auch. Die Priesterschaft des Ptah von Men-Nefer hatte ganz offiziell Beziehungen zu den Libyern geknüpft. Amenemhat stieß einen Fluch aus. Sicher wusste Kahotep etwas darüber; die Tauben mit den Botschaften waren doch aller paar Tage gesichtet worden! Die Vertrautheit dieses Mannes mit dem Pharao hatte ein Ende zu finden! 
    Der Hohepriester las weiter. Auch die folgenden Berichte waren alles andere als beruhigend. Die Hungersnot im Delta hatte vielen Bauern das Leben gekostet. Korrupte Beamte überboten sich gegenseitig in betrügerischen Geschäften mit dem kostbaren Getreide. Ein Großteil des fruchtbaren Landes lag brach, weil die Gaufürsten es an die Libyer für deren Vieh als Weiden verpachtet hatten. Als Dank dafür hatten sie sich zu Heeresleistungen für ihre Gönner verpflichtet. Mit anderen Worten lungerte dort eine schlagkräftige, plünderungslüsterne Armee tatenlos herum, bereit, sich etwas Übung zu verschaffen! Es war genau so gekommen, wie Amenemhat es voraus gesehen hatte. Wenn es nicht gelang, den jungen Pharao in die richtige Richtung zu lenken, war Kemet verloren, da hatte er keinen Zweifel. Aber wie? Iny hing ja nur noch an Kahoteps Lippen! Im Notfall würde der Herr von Ipet-Isut kurzen Prozess mit dem jungen Fanatiker aus dem Tempel des Ptah machen; er hegte keine größeren Bedenken, was das anbelangte. Aber ein solches Vorgehen barg immer auch ein gewisses Risiko. Wenn es sich vermeiden ließ, wollte er andere Wege beschreiten.
    Er hob den Kopf und ließ den Blick nachdenklich über die Regalreihe schweifen. „Beschwörung für die Erlangung ihrer Liebe“ stand auf einer der Rollen. Der Hohepriester nahm die offensichtlich falsch eingeordnete Schrift heraus. Liebe… 
    Er lachte unwillkürlich und entsann sich erneut an Nefertaris Worte am Vormittag. Nein, er vertraute ihr nicht mehr… Geistesabwesend drehte Amenemhat die Papyrusrolle zwischen den Fingern und öffnete sie rein mechanisch. Seine Augen erfassten den Text, während seine Gedanken diverse Möglichkeiten erwogen, die Dinge wieder unter seine Kontrolle zu bringen. „Wenn du dich sehnst nach dem Glanz ihrer Augen, dem Duft ihres Haares…“
    War Nefertari dabei, ihn zu verraten?
    „…wenn dein Herz sich  nach dem Feuer ihrer Leidenschaft sehnt…“
    Es dauerte einen Moment, bis Amenemhat bewusst registrierte, dass Nefertaris Gesicht dem Deboras Platz gemacht hatte und dass er mit dem Kopf gegen das Regal gelehnt stand wie angewurzelt. Für eine Zeit, die er nicht bestimmen konnte, hatte überhaupt nur diese Erinnerung in ihm Platz. Die Hoffnung, das Fremdländermädchen je wieder zu sehen, war zu einem schwachen Schimmer verblasst. Er hatte kürzlich dem Hof ihres Vaters noch einen Besuch abstatten wollen, aber nichts als verkohlte Ruinen vorgefunden. Eine weitere Wohnstätte eines Fremdländers, die der wachsenden Verzweiflung der Bevölkerung Kemets zum Opfer gefallen war. Amenemhat bezweifelte, dass es die letzte gewesen war, so wie sich alles entwickelte. Falls Debora dort gewesen war zum Zeitpunkt des Angriffs… Sein Gefühl sagte ihm, dass dem nicht so war. Aber nichts desto trotz hatte er das Mädchen nicht ausfindig machen können. Sie blieb wie verschluckt von den Dämonen der Unterwelt! 
    Aus dem ursprünglichen Zorn, nicht bekommen zu haben, was er gewollt hatte, war etwas ganz anderes gewachsen. Er hatte das Gefühl, etwas verloren zu haben, vom Schicksal um etwas betrogen worden zu sein. Um etwas Verheißungsvolles, Großes... 
    Es kostete ihn unerwartete Mühe, sich von diesen Gedanken los zu reißen. Jetzt war wirklich nicht die Zeit, melancholischen Anwandlungen Raum zu geben! Missmutig verstaute er den Beschwörungspapyrus in der Tasche, um ihn später am richtigen Ort einzustellen. 
    Liebe… Ja… Möglicherweise konnte die Liebe

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