Der Skorpion von Ipet-Isut
schmiegend.
„Und den Platz des Beraters mit einem Mann wie diesem Kahotep teilen? Das kann nicht dein Ernst sein, oder?“ Er löste sich aus ihrer Umarmung und schob sie entschieden zurück. „Nefertari, diese Unterhaltung ist fruchtlos! Rede mit Iny und versuche ihn zur Vernunft zu bringen. Oder ich werde eines Tages keine andere als diese eine Wahl haben, um Unheil abzuwenden!“
Mit diesen Worten verließ er sie.
Die Königin blieb an der Tür zum Garten stehen. Als Amenemhats Schritte verklungen waren, presste sie die rechte Faust gegen den Mund und biss auf die Knöchel, um die aufsteigenden Tränen zurück zu halten.
Als sich eine ihrer Dienerinnen aus dem Nebenraum näherte, scheuchte Nefertari sie wie eine Furie weg, warf sich dann ihre Stola um die Schultern und machte sich auf den Weg in den Palastteil, den Iny-Ramses jetzt bewohnte.
Sie traf ihren Sohn beim Senet-Brettspiel mit einem seiner Offiziere an. „Ich muss mit dir sprechen!“
Sichtlich missgestimmt aufgrund der Störung wies Ramses seinen Spielkameraden hinaus und wandte sich dann seiner Mutter zu. „Worüber?“
„Über einige deiner jüngsten unglücklichen politischen Entscheidungen, mein Sohn!“
„Das sind Dinge, die eine Frau nichts angehen! Auch dich nicht, Mutter!“ Er griff eine seiner Spielfiguren und drehte sie zwischen den Fingern. „Also mische dich nicht ein!“
„Du solltest den Kronrat konsultieren, nicht nur diesen… Kahotep!“
„Ich bespreche mich, mit wem ich will! Der Kronrat ist ein Haufen zahnloser, fetter Alter! Ich bin der Pharao! Und ich entscheide, wessen Rat ich annehme und was ich tue!“
„Ich bitte dich nur… Nimm dich in Acht vor Amenemhat! Er kann ein gefährlicher Feind sein!“
„Ach ja? Und was heckt dieser giftige Skorpion hinter den Mauern von Ipet-Isut aus?“
„Ich weiß es nicht!“
„Du hast ihn doch immer besonders geschätzt, Mutter!“
„Ich schätze ihn noch“, erwiderte Nefertari mit einem Anflug von Panik in ihren Gedanken. Wie viel mochte Iny wissen über ihr Verhältnis zu Amenemhat? „Er ist ein kluger Ratgeber und du –“
„Er ist ein intriganter, heuchlerischer Schakal!“
„Iny, wie kannst du –“
„Ich sage dir, Mutter, wenn Amenemhat oder einer seiner Handlanger plant, mich vom Thron zu stoßen, wird ihm das übel bekommen! Ich habe im Delta gesehen, wie die Libyer ihre Feinde hinrichten: sie spannen sie zwischen zwei Pferde und reißen sie auseinander. Genau das…“ Der junge Pharao sah seine Mutter an und lächelte. „…werde ich mit Amenemhat tun, wenn er seine Finger nach den Kronen ausstreckt! Überbringe ihm diese Botschaft!“
Nefertari schauderte und war unfähig, etwas zu erwidern. Iny hatte sich so sehr verändert in den letzten beiden Jahren im Heerlager! In diesem Moment erschien er ihr wie ein Fremder.
Die Fluten des Nil spiegelten das silberweiße Licht der Sterne. Ein schwacher Windhauch bewegte die Blätter der Bäume und die Schilfstengel. Gedeckt von der Dunkelheit eilte ein junger Mann über den Innenhof des Tempels von Ipet-Isut. Es war einer der Hofschreiber, mit Namen Djehuti. Bisher hatte seine Tätigkeit darin bestanden, die Papyri des Königs mit Bildern zu versehen. Jetzt war er beauftragt, Beweise für den Treuebruch des Hohenpriesters zu beschaffen, eine Aufgabe, die ihm mit Angst erfüllte. Schließlich erzählte man sich furchtbare Dinge von Amenemhat...
Um leise Tritte bemüht lief der Spion eine schmale Treppe hinunter. Sie führte ihn an mehreren kunstvollen Wandmalereien vorbei, deren Schönheit selbst im fahlen Sternenlicht kaum verblasste. Djehutis Finger berührten andächtig die Bilder. Welch herrliche Dinge ein Mensch schaffen konnte, den Amun liebte! Er seufzte und riss sich aus seiner Betrachtung los. Zum beten war er nicht hier! Der Pharao hatte ihn geschickt, und er wollte alles tun, was in seinen kläglichen Fähigkeiten lag, um dem Horus zu dienen! Zumal man ihm eine Anstellung als Schreiber für die Angelegenheiten der königlichen Grabanlagen in Aussicht gestellt hatte, ein lohnender Posten! Einer, der ihm endlich erlauben würde, eine Familie zu gründen... Wenn dieses Glück nur nicht über die Geheimnisse des Herrn von Ipet-Isut zu erlangen gewesen wäre!
Währenddessen schritt Amenemhat durch die Regalreihen des Archivs, in Gedanken waren bei Iny und Nefertari. Ohne Zweifel verbarg sie etwas… Doch was? Sollte er vielleicht plötzlich das Opfer ihrer Ränkespielchen sein anstatt der
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