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Der Skorpion von Ipet-Isut

Der Skorpion von Ipet-Isut

Titel: Der Skorpion von Ipet-Isut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Napp
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verwendete Itakaiet ganz besonders viel Sorgfalt auf ihre Schminke, Perücke, Gewand und Schmuck – sie wählte das neue syrische Diadem, das Kahotep ihr gegen Mittag vor die Füße gelegt hatte - und opferte die kostbarsten, für besondere Anlässe aufgesparten Parfümöle. Dann schlug sie eine lange, blütenweiße Leinenbahn um Kopf und Schultern und lieh sich von einem Nachbarn den Packesel als Reittier. Schließlich wollte sie nicht mit staubbedeckten oder gar nach Dung riechenden Füßen an ihrem Ziel ankommen!
    Ganz wohl war ihr nicht bei diesem nächtlichen Ausflug. Es trieb sich viel Gesindel in der Stadt herum. Zwar konnte sie sich recht gut verteidigen – im Notfall mit dem kleinen Dolch, den sie am Gürtel trug – aber das war nichts, was sie jetzt unbedingt proben musste.
    So war Itakaiet einigermaßen erleichtert, als die Umfassungsmauern von Ipet-Isut vor ihr auftauchten. Sie trat dem Esel in die Seite, um noch ein klein wenig schneller voran zu kommen. Natürlich war das Haupttor zu dieser Stunde geschlossen, sie musste bis zum Bitt-Tor kommen, und dieses lag ein ganzes Stück flussabwärts hinter einem Sykomorenhain… Ein paar mal glaubte sie, verdächtige Schatten zwischen den Stämmen umher huschen zu sehen, aber alles, was sich ihr näherte, war ein Schwarm Fledermäuse. Unbeschadet erreichte sie das niedrige und kaum mannsbreite Tor, stieg ab und schlang die Zügel des Esels um einen nahen Baumstumpf.
    Nur wenig später öffnete sich die Tür. Itakaiet nahm an, dass ihre Ankunft wohl schon beobachtet worden war. Sie straffte sich und schlug die Leinenstola zurück, als Amenemhat durch das Tor zu ihr trat. 
    „Erster Diener Amuns…“ Sie neigte sich zu einer Ehrbezeigung, dabei darauf achtend, möglichst viel von sich zu präsentieren. „Ich bin glücklich, dir zu Diensten sein zu dürfen.“
    „Itakaiet.“
    „Ja…“ wisperte sie und ließ den Blick über seine Statur schweifen. Sie hatte munkeln hören, dass Amenemhat mit den Tempelwächtern trainierte. Stimmte das? Nun, auf jeden Fall nannte er eine bessere Figur sein eigen als die Meisten ihrer Kunden, mit denen sie sich plagen musste! Nun, bei Sachmet und Iset, das hatte hoffentlich jetzt ein Ende!
    „Ich hörte, dass du in deiner Schenke des Öfteren den Oberpriester des Ptah empfängst?“
    „Ja, Erhabener. Aber es ist nichts, was mich irgendwie hindern könnte, dir meine Zeit zu schenken! Wann immer es dein Wunsch ist!“
    Lächelte er oder schien es ihr nur so in dem matten Sternenlicht?
    Amenemhat streckte die Hand aus, ließ sie über ihren Hals gleiten und Itakaiet genoss innig das erregende Gefühl, das sie dabei durchzuckte. 
    „Ich finde, eine Schönheit wie die deine, Itakaiet, sollte nicht in einer kleinen, belanglosen Schenke der Unterstadt … verschwendet werden.“ 
    „Nein… Erhabener…“
    „Du solltest dich Seiner Majestät vorstellen.“
    „Dem Pharao?“ wiederholte sie und biss sich sofort auf die Zunge für eine so dümmliche Antwort. Aber sie begriff. Sie begriff nur zu gut und ihre anfängliche Überraschung begann sich in brennende Freude zu verwandeln.
    „Ich sorge dafür, dass du als Tänzerin im Palast eingeführt wirst. Du wirst dafür sorgen, dass der Pharao nur noch Augen für dich hat. Und jetzt – beweise mir, dass ich die richtige Wahl mit dir getroffen habe!“
    Itakaiets Lächeln wurde weich, verlockend und professionell, nun, da sie sich wieder auf ihrem eigenen Erfahrungsterrain bewegte. Mit einem eleganten Griff löste sie die Schmucknadel, die ihr Gewand über der rechten Schulter zusammen hielt.

    Leicht und schnell fuhr das Boot des Pharao. Die Papyrusstengel links und rechts des Wassers bargen in ihrem Wald ein ganzes Konzert schwirrender Insekten und zwitschernder Vögel. Iny-Ramses stand im Bug und hielt das Gesicht in den Wind. 
    Irgendwo vor ihm klang das heisere Geschrei von Nilgänsen aus dem Schilf. Der als Lockvogel dienende prächtige Silberreiher öffnete die Flügel, doch die Fessel um sein Bein verhinderte ein Aufsteigen. Lautlos bog das Boot um eine kleine Insel, nicht einmal die Ruderblätter schliffen an den Pflanzen. Plötzlich flatterte mit aufgeregtem Krächzen eine Gans auf. Ein Dutzend weitere folgten ihr, und das Rauschen der Flügel erfüllte die Morgenluft. Ramses ergriff seinen Bogen und zog einen Pfeil aus dem Köcher. Er empfand das prickelnde Gefühl der Herausforderung wie damals in den Gefechten im Delta an der Seite seines Vaters. Er richtete

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