Der Skorpion von Ipet-Isut
die Wand gedrückt, und mit der Erwartung, dass sein Leben bald ein elendes Ende finden würde. Dass Amenemhat ihn nicht auf der Stelle ins Land des Vergessens geschickt hatte, konnte nur bedeuten, dass sich der ‚Skorpion’ etwas besonders Quälendes ausdachte… Djehutis Zähne schlugen aufeinander, ohne dass er es unterbinden konnte.
„Ich werde … dir das Leben schenken.“
Die unerwartete Äußerung des Hohenpriesters sorgte dafür, dass Djehuti sich vor Schreck auf die Zunge biss. Hatte er richtig gehört?! Er machte eine ungelenke Vorwärtsbewegung, wollte Amenemhat zu Füßen fallen.
„Danke mir nicht zu früh, das könntest du bereuen! Höre, was ich dir sage! Du wirst deinen Dienst hier im Namen des Pharao fortsetzen. Du wirst ihm Berichte bringen. Ich selbst werde dir sagen, was ich für passend halte. Im Gegenzug wirst du mir alles mitteilen, was sich bei Hofe ereignet. Iny darf keinen Verdacht schöpfen, stelle dich also geschickter an als eben! Wenn er auch nur im Mindesten misstrauisch wird, liefere ich dich dem Tribunal aus und werde dafür sorgen, dass du eines sehr unerfreulichen Todes stirbst! Verstehst du?“
„Ja, Erster Diener Amuns. Ich gehorche!“
„Dann geht jetzt! Nein, nicht durch den Kultraum, hier hinaus!“ Amenemhat öffnete eine Pforte, die in einer Nische verborgen gewesen war und wies in den dahinter liegenden Gang. „Er führt dich bis zum Pylon. Achte darauf, dass niemand dich sieht, wenn du heraus steigst!“
Während Djehuti sich durch die enge Öffnung zwängte, hob der Hohepriester den hölzernen Schlüssel auf. Seines Verschwindens wegen war er in die Sakristei zurück gekehrt. War es die richtige Entscheidung gewesen eben? Aber seit Kahotep es soweit gebracht hatte, dass der Sohn des Obersten Siegelschneiders aus Waset weg gelobt worden war, brauchte er dringend neue Augen und Ohren im Palast. Zumal er Nefertari nur mehr bedingt über den Weg traute. Er hatte in den letzten Wochen nicht nur den Eindruck, dass sie etwas vor ihm verbarg, sondern außerdem, dass sie versuchte, ihn von ihrem Sohn fern zu halten mit allen erdenklichen Einfällen! Sie bemäntelte sogar Inys Versagen, als wolle sie die Gründe vermindern, gegen ihn vorzugehen. Gut, Iny war ihr einziges Kind, aber sie hatte in all den Jahren nicht gerade durch übergroße mütterliche Liebe und Fürsorge geglänzt! Warum also jetzt, bei den Dämonen der Finsternis, als es um den Entscheidungskampf ging, um den Thron, um Kemet?!
Gerade hatte Itakaiet zwei ihrer Mädchen in die monatlichen „freien Tage“ entlassen. Die Maßnahme war unumgänglich, trotzdem nicht weniger lästig, zumal jetzt ein größeres Fest anstand. Nun würden zwei ihrer besten Mädchen - Sie stockte inmitten des Gedankens. Siedendheiß fiel ihr etwas anderes ein: sie war selbst mit ihren „freien Tagen“ in Verzug! Was hieß Verzug! Hastig versuchte sie nachzurechnen und stellte fest, dass ihre letzte Blutung schon über zwei Monate zurück lag. Sie biss sich auf die Unterlippe, blieb einen Moment lang stocksteif auf ihrem Schemel sitzen. Dann sprang sie auf, zog das Kleid von ihren Schultern und begann mit wachsender Panik ihrem Körper nach verdächtigen Anzeichen zu untersuchen. Nach einer Weile und wiederholten Prüfungen ließ sie sich resigniert auf ihr Bett fallen und machte sich mit einem lauten Fluch Luft.
Kein Zweifel, sie war schwanger! Wie hat das geschehen können, fragte sie sich wütend. All die Jahre – und es waren einige – war ihr nichts passiert! Sie hatte die Mittelchen angewandt, die im Rufe der entsprechenden Eigenschaften standen, sie hatte immer ihr Amulett am rechten Arm getragen! Sie fluchte erneut. Diesmal sah sich der draußen gerade die Treppe putzende Khenti veranlasst, an ihrer Tür zu klopfen. Er erntete einen Wutausbruch und ergriff die Flucht.
Itakaiet hockte sich wieder auf das Bett. Sie musste nachdenken. Sie musste etwas tun! Ramses würde sie nicht mehr anrühren, wenn sie anfing auszusehen wie eine trächtige Kuh!
War es… sein Kind? Seit sie im Palast des Pharao tätig war, hatte sie im Grunde keine anderen Kunden mehr angenommen. Außer Kahotep natürlich ein- zweimal, wenn sie seiner Freigiebigkeit bedurft hatte. Und dann war da noch der Hohepriester aus Ipet-Isut und das lustvolle Stündchen im nächtlichen Sykomorenhain. Amenemhat war auch nicht besonders vorsichtig gewesen… Vielleicht war es sein Same, der in ihr heranwuchs. Diese Vorstellung fand Itakaiet
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