Der Skorpion von Ipet-Isut
konnte.
Amenemhat stürmte ihm nach. Ihr Kleid hoch raffend folgte Itakaiet ihnen.
„Erhabener, was kümmert dich diese Fremdländerin? Sie ist nur... ein Stück Dreck! Deiner Aufmerksamkeit nicht wert! Ich -“
Er fuhr herum und packte sie an der Schulter. „Ich will nichts von dir hören!“
Itakaiet nickte hastig, wie eine Spielzeugpuppe in der Hand eines Kindes, und fauchte Senet an, die neugierig durch die Tür lugte: „Was glotzt du so? Verschwinde! Los, oder ich prügle dich windelweich!!!“
Das dunkelhäutige Mädchen flüchtete.
Amenemhat brachte mit einem Satz die letzten Stufen hinter sich zu der Tür, die Khenti ihm wies. Er riss den Riegel zurück und die Tür so heftig auf, dass sie beinahe aus den Angeln flog. Debora lag neben ihrem Bett; es machte den Anschein, dass sie versucht hatte aufzustehen und dann zusammen gebrochen war. An ihren Armen und in ihrem Gesicht zeichneten sich blaugrüne Male ab und auf dem Boden unter ihr die dunklen Flecken getrockneten Blutes.
Der Priester kniete neben ihr nieder, zog sie vorsichtig auf seinen Schoß. Ihr Körper glühte.
„Debora?“
Ihre einzige Reaktion war ein schwaches Stöhnen und Tränen, die über ihr geschwollenes Gesicht und die aufgesprungenen Lippen rannen.
Was, bei allen Dämonen, ist in ihn gefahren, fragte Itakaiet sich erneut, während sie die Szenerie beobachtete. Das machte den Eindruck, als ob Amenemhat das kleine rothaarige Biest... kannte! Und... sich um sie sorgte! Wo hatte man das schon gehört? Der Skorpion von Ipet-Isut genoss nicht gerade den Ruf, eine mitleidige Seele zu sein...
Sich unruhig auf die Lippen beißend, weil sie Übles für sich selbst ahnte, sah Itakaiet zu, wie der Hohepriester ein schmales Goldtäfelchen aus seiner Schärpe zog.
„Ich kaufe sie!“
Das Gold landete vor Itakaiets Füßen. Ohne noch ein weiteres Wort zu verlieren, hob Amenemhat Debora hoch und trug sie die Treppe hinunter.
Kapitel 9
Kahotep hatte Itakaiets Schenke aufgesucht, um sich von seiner Geliebten zu verabschieden. Am nächsten Tag sollte er nach Men-Nefer reisen, um die Braut für den Pharao abzuholen. Doch an diesem Abend fand er Itakaiet nicht hier. Bereits überlegend, ob er es nicht diese Nacht dabei bewenden lassen sollte, beugte er sich über den Schminktisch, auf dem wie gewöhnlich eine Anzahl Schmuckstücke durcheinander lag. Ein Paar kostbare Ohrringe mit Smaragden kamen ihm seltsam bekannt vor. Er meinte, sie vor nicht allzu langer Zeit sogar im Palast …
Aber ehe der Gedanke selbst Wurzeln in ihm fassen konnte, weckte etwas anderes Kahoteps Aufmerksamkeit: ein kleines Fläschchen aus trübem Glas. Sich wundernd, dass Itakaiet ein so schmuckloses Gefäß für ihre Salben benützte, betrachtete er es neugierig. Dann zog er den Pfropfen heraus, hob das Fläschchen an die Nase und schmetterte es auf den Boden. Lang genug hatte er die Kunst des Arztes erlernt, um den Inhalt zu erkennen. Er konnte nur eine Anwendung finden…
Stunden später erst tauchte Itakaiet auf. Sie machte einen erschöpften Eindruck, und war überrascht, Kahotep vorzufinden. „Was willst du?“ fragte sie, sich keine Mühe gebend, irgendein Interesse zu heucheln. Sie war bis eben im Palast gewesen, und Ramses hatte sich ein paar kleine ‚Kampfspielchen’ ausgedacht gehabt.
Aber zu ihrer Verwunderung war der Oberpriester auch nicht an den üblichen Dingen interessiert. „Wer hat dir das Recht gegeben, ein wehrloses Leben zu vernichten? Ein Geschöpf des Ptah?“ fragte er ernst.
„Ich weiß nicht, wovon du redest…“ Sie gähnte. „Ich bin heute wirklich müde und …“
„Du weißt es sehr gut!“ Kahotep wies auf die Scherben der kleinen Medizinflasche. „Woher hast du das?“
„Ach!“ fauchte Itakaiet jetzt. „Was denkst du überhaupt, mir hier Vorhaltungen zu machen?!“
„Es geht um ein Menschenleben! Was, wenn es unser Kind gewesen wäre?“
„Dein Kind?!“ Sie lachte auf und merkte in ihrer Aufregung nicht, dass sie zu weit ging. „Wer sagt, dass es dein Kind ist, hm? Es könnte die Frucht Amenemhats sein, oder vielleicht sogar des Pharao, denn der stellt sich gar nicht so dumm an! DEIN Kind! Einen Dreck geht dich an, was -“
Sie brach ab und Kahotep starrte sie sprachlos an.
Es schien, als habe ihn alle Lebensenergie verlassen. Alle Farbe war aus seinem Gesicht gewichen und er klammerte sich an die Kopfstütze des Bettes, weil er fürchtete, sonst abwärts in bodenlose Tiefen zu fallen. Ins
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