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Der Skorpion von Ipet-Isut

Der Skorpion von Ipet-Isut

Titel: Der Skorpion von Ipet-Isut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Napp
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sich und befahl dem Diener, auf Debora acht zu geben. 
    Der schlaksige Junge verneigte sich und bezog seinen neuen Posten. Seine Miene verriet, dass er sich etwas unbehaglich dabei fühlte, aber natürlich wagte er nicht, sich des Auftrags zu entziehen.

    Kiya trat unruhig von einem Fuß auf den anderen und blickte neugierig auf die sich nähernde Silhouette Wasets. Sie trug bereits das festliche Gewand, mit dem sie Pharao Ramses vorgestellt werden sollte. Kahotep fand, dass es an ihr verfehlt wirkte. Die Tochter des Oberpriesters von Men-Nefer war noch ein Kind! So sehr noch ein Kind! Und am Hof des Pharaos erwartete sie eine Grube voller giftiger Vipern und Nattern… War es richtig gewesen, sie dort hinein zu werfen, fragte er sich auf einmal.
    „O sieh doch, Erhabener!“ rief sie jetzt. „Ist das alles meinetwegen?“ Sie zeigte über den Bug des Schiffes. 
    Kahotep folgte dem Finger und glaubte seinen Augen nicht zu trauen. Eine schier endlos scheinende Prozession weißgewandeter Priester aus Ipet-Isut mit Blumengebinden in den Händen flankierte das Ufer. In ihrer Mitte an der Anlegestation unübersehbar Hohepriester Amenemhat, in seinem feierlichen Ornat. Was hatte das zu bedeuten? Kahotep hörte Kiya freudig in die Hände klatschen und biss die Zähne zusammen. Er überlegte, ob er den Befehl geben sollte, weiter zu fahren, doch der Steuermann wendete das Boot bereits Richtung Anlegestelle – etwas anderes wäre ihm gar nicht in den Sinn gekommen. Und einen Moment darauf sprangen die Bootsleute mit den Seilen ins Wasser. Die Priester breiteten ihre Blumen zu einem Teppich an der Anlegestelle aus. 
    Kiya war so begeistert und beeindruckt, dass sie ihre mühsam gebundene Schärpe zerknüllte. Dem Zeremoniell gemäß führte sie der Oberhofmeister von Bord. Kahotep beobachtete zornerfüllt, wie Amenemhat der Braut des Pharao mit heiligem Öl das Anch auf die Stirn zeichnete und dann die übrigen Begleiter der Gesandtschaft begrüßte: „Ich bedaure den armseligen Empfang, den ich als Erster Diener Amuns dir, erhabene Kiya, und deinen hochwürdigen Begleitern bereiten muss. Aber der Ruhmreiche Horus hat in seiner Weisheit beschlossen, den Heiligen Tempel von Ipet-Isut all seiner Güter zu berauben. Es steht mir nicht zu, an seiner Umsicht zu zweifeln, und so werde ich an Festlichkeit spenden, was ich noch vermag...“
    Auf Kiyas Kindergesicht malte sich Verwirrung und Mitgefühl. Amenemhat gestattete sich ein kurzes Lächeln in Richtung des Ptahpriesters, während er Kiya und ihren Begleitern voraus ging.
    Amenemhat, du niederträchtiger Schakal, dachte Kahotep bei diesem Anblick. Das Anubis dich mit dem ewigen Tod strafen möge! Die deutlich ablesbare Reaktion im Antlitz des Oberpriesters ließ sogar Amenemhats Müdigkeit etwas schwinden. Es tat gut, wenigstens ein paar Sandkörner in dessen so wohl gefegten Weg zu streuen!

    Es hatte eine Weile gedauert, bis Debora wagte, die Hände sinken zu lassen, die Augen zu öffnen und sich umzusehen in dem Raum, in dem sie offenbar die letzten Tage gelegen hatte. Die Wände zierte ein Reliefband mit Papyrus- und Lotusblüten, auf dem kleinen Holztisch am Fenster standen allerlei Schalen und Fläschchen, mit und ohne Inhalt, sowie eine Waage. All das ließ den intensiven Einsatz des Leibarztes erahnen. Daneben lag ihr Amulett, das kostbare Erinnerungsstück an ihre Mutter. 
    Die Finger des Mädchens strichen über die Bettdecke; es war unglaublich feines und leichtes Leinen, wie sie es noch nie gesehen hatte. Ihr Blick wanderte weiter und sie gewahrte ihren ‚Krankenwärter’. Der junge Mann saß ihre gegenüber an der Wand und musterte sie neugierig.
    „Wie lang bin ich schon hier?“ fragte Debora.
    „Etwas über eine Woche ist es her, dass der Erste Gottesdiener dich mitgebracht hat. Er hat fast die ganze Zeit an deinem Bett gesessen. Wir haben alle geglaubt, du würdest sterben. Aber die Götter Kemets müssen dir wohl gesonnen sein, obwohl du eine Fremdländerin bist!“
    Sie erwiderte nichts, versuchte stattdessen, an das Amulett auf dem Tischchen zu gelangen. Ohne seinen Schutz fühlte sie sich noch angreifbarer und hilflos.
    Ihr Bemühen sehend, stand ihr Krankenwärter auf und reichte ihr das Schmuckstück. „Ist das ein Gott deiner Heimat?“ 
    Debora nickte, fürchtete aber schon durch eine Nennung des Namens womöglich den Zauber wertlos zu machen und schloss nur die Hand um das Amulett.
    Von draußen trug der Wind Klänge von Musik und

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