Der Skorpion von Ipet-Isut
der Unterstadt gewesen sein, aber...“
Er hat sich von Itakaiet getrennt?! Was für ein wirklich wunderbarer Morgen! „Wie ist die sonstige Stimmung im Palast?“
„Der Oberste Siegelschneider läuft mit saurem Gesicht herum, seit sein Sohn als Prüfer in die Türkismienen zum Sinai gesandt wurde, Erhabener. Und ich habe den Wesir und den Zweiten Mundschenk darüber sprechen hören, dass Amun seinen Zorn über die beiden Länder ausschütten würde, wenn das Tempelland nicht zurück gegeben wird. Der Wesir sagte, er sei vorstellig geworden bei Ramses in dieser Sache, aber auf taube Ohren gestoßen... Der Vize-Haushofmeister behauptete, die dritte Nebenfrau des alten Pharao – er lebe ewig – habe ihn vergiften wollten, aber der Leibarzt sagte, es wären nur verdorbene Feigen gewesen“, fuhr Djehuti mit dem Klatsch und Tratsch fort, der ihm in den letzten Tagen ans Ohr gedrungen war.
Amenemhats Gedanken glitten zurück zu Debora. Was konnte er noch für sie tun? Den Leibarzt des Pharao holen lassen? Kahotep. Warum hatte sie seinen Namen genannt? Was hatte das zu bedeuten?
„... und ich hörte, wie eine Sklavin mit einer anderen tuschelte, die ehrwürdige Königin Nefertari habe sich mit dem erhabenen Pharao gestritten. Sie soll gesagt haben, er wäre stur wie ein Ochse und würde seinem Vater immer ähnlicher. Aber das habe ich nicht selbst gehört, nur die Sklavinnen reden hören, Erster Diener Amuns.“
Djehuti war verstummt und blickte seinen Auftraggeber erwartungsvoll an.
Der Hohepriester nickte nur. An einem anderen Tag hätte er Nefertaris Ausbruch vielleicht sehr amüsant gefunden, heute aber war sein Geist zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt. „Danke. Du kannst jetzt gehen. Ich lasse dich wissen, wenn es noch etwas gibt, was du für mich in Erfahrung bringen kannst.“
„Jawohl, Erhabener!“ Djehuti verneigte sich und entschwand zwischen den Werkstätten.
Das Anwesen des Oberpriesters des Ptah von Men-Nefer war weiträumig und prächtig ausgestattet, als sei hier die frühere glanzvolle Zeit der alten Hauptstadt noch lebendig. In der Morgenstunde klangen das Schnattern von Gänsen und der Gesang anderer Vögel vom Fluss. Kahotep stand auf dem Dach des Haupthauses und hielt den Blick auf die alten Grabmäler gerichtet, die soweit er aus den heiligen Texten wusste, seit Anbeginn der Zeiten hier standen, Zeiten voller Klarheit, Größe und Reinheit, die dahin gegangen waren...
Er hörte das Lachen eines Mädchens aus dem Garten, wahrscheinlich eine der Dienerinnen, die die Katzen fütterte. Es erinnerte ihn an Itakaiet und er fühlte den gleichen kalten und doch brennenden Schmerz wieder in sich wie vor über einer Woche, als er aus ihrer Schenke geflohen war. Genau genommen erinnerte ihn jedes Lachen und jeder Blick einer Frau nur an sie. Er war entschlossener denn je, den Hohepriester von Ipet-Isut in die Knie zu zwingen. Nicht nur, weil er die Heilige Ordnung zerstörte, nein, weil er auch sein ganz persönliches Glück zerstört hatte!
„Du bist früh auf, mein Freund.“ Der Oberpriester von Men-Nefer trat an seine Seite. Er hatte den Gesandten des Pharao am vergangenen Abend ehrerbietig und wohl auch sehr überrascht empfangen.
„Es gibt Vieles zu bedenken, was mich keinen Schlaf finden lässt“, erwiderte Kahotep. „Hast du bereits eine Entscheidung getroffen, was deine Tochter anbelangt?“
Am gestrigen Abend hatte er den Eindruck gehabt, dass das Oberhaupt der Ptahpriesterschaft von Men-Nefer sehr angetan sei von einer Verbindung seines Hauses mit dem des Pharao. Aber es war eine fröhlich gestimmte, recht weinselige Festrunde während des Empfangs gewesen, der kühle Morgen mochte ganz andere Gedanken heraufbeschworen haben.
„Du bist sehr zielstrebig, Kahotep.“
„Der Stand der Dinge fordert es von mir“, entgegnete er knapp. „Ramses sitzt auf dem Horusthron, doch dieser steht nicht viel fester als auf dem Sand einer Düne, solange er keinen Sohn gezeugt hat. Die Priesterschaft von Ipet-Isut trachtet danach, die Macht an sich zu bringen! Wenn es erst einen rechtmäßigen Erben gibt, wird Amenemhat es schwerer haben, dem Pharao das Szepter zu entreißen!“
„Nun, Ptah hat dir ein Mittel in die Hand gegeben, die Herrschaft der Amunpriester im Zaum zu halten. Meine Tochter.“
„Du willigst in die Hochzeit ein?“ Kahoteps Worte klangen unbewegt. Er hätte sich freuen sollen, aber irgendwie war er zu keiner solchen Regung fähig. Sein Herz fühlte
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