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Der Skorpion von Ipet-Isut

Der Skorpion von Ipet-Isut

Titel: Der Skorpion von Ipet-Isut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Napp
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antwortete ihm. Den Delinquenten waren die Zungen heraus geschnitten worden. Es war Teil ihrer Bestrafung, die sie zu einem ehrlosen Tod ohne Möglichkeit des Weiterlebens verdammt hatte: ein Toter ohne Zunge würde die magischen Sprüche nicht rezitieren können, die ihm den schadlosen Übertritt in das Reich des Usire ermöglichten.
    Für den Herrn von Ipet-Isut rangierte allerdings eine ganz andere praktische Überlegung vorn an, als er sich heute ins Verlies begeben hatte. Auftragsmörder, die nicht reden konnten, konnten bei einem eventuellen Verhör auch nicht gegen ihn aussagen.
    „Wenn ihr erfolgreich seid, werde ich dafür sorgen, dass ihr ein gutes Leben jenseits der Grenzen Kemets habt“, fuhr Amenemhat fort. 
    Das war eine Lüge. Er wäre nie das Risiko eingegangen, einen Mitwisser in dieser Sache am Leben zu lassen. Aber die Männer vor ihm waren verzweifelt genug; sie wollten ihm glauben.

    Die für die nächtlichen Rituale eingeteilten Priester waren in der Mitte ihrer Liturgie angelangt, als Amenemhat die vier Verurteilten aus dem Kerker heraus führte und im Schutze der Dunkelheit bis zum Bitt-Tor geleitete.
    „Denkt daran“, flüsterte er ihnen hier nochmals zu, „Die Option zu versagen existiert für euch nicht! „Wenn ihr versagt, seid ihr tot. Verstanden?“ 
    Damit überreichte er dem einen von ihnen einen Dolch, den jener rasch unter seinem Umhang verschwinden ließ. Einem Moment darauf war der Erste Gottesdiener von Ipet-Isut wieder allein – so dachte er zumindest. Als er über den mondbeschienenen Hof den Weg zu seinem Wohnhaus antrat, ahnte er nicht, dass Djehuti im Schatten einer der Statuen gekauert hatte. Der junge Schreiber hatte vor Angst den Atem angehalten, bis Amenemhat außer Sichtweite war. Nun schnappte er laut nach Luft. Er hatte nicht schlafen können, weil ihm die wechselseitigen Aufträge des Hohenpriesters und des Pharao schwer im Magen lagen. Beständig und von Tag zu Tag mehr befürchtete er, sich irgendwie zu verraten und auf die eine oder andere Weise dem Tod überantwortet zu werden. So war er durch den nächtlichen Tempelhof gewandert, bis er die Stimmen gehört hatte. Es war nicht seine Absicht gewesen, zu lauschen – nein, in Wahrheit hätte er mehr darum gegeben, plötzlich mit Taubheit und Blindheit geschlagen zu werden! Aber er hatte Amenemhat genau gehört und die Klinge im Mondschein blitzen sehen. Diese Männer waren zu üblen Taten ausgesandt, da gab es keinen Zweifel! Ausgesandt zu morden! Aber wen, fragte sich Djehuti, während er zitternd zurück schlich. Den Ruhmreichen Horus selbst?! Was sollte er jetzt nur tun? Jemanden informieren, den Pharao warnen? Aber wer war er schon? Und was wusste er denn eigentlich? Klar war nur, dass man anschließend wissen würde, dass ER die ganze Zeit auch für den Herrn von Ipet-Isut gearbeitet hatte. Nichts, was seinem Weiterleben wohl sehr förderlich gewesen wäre… Djehuti blieb bei den Vorratsspeichern stehen und wagte sich im Moment weder vor noch zurück. 

    Der Wesir betrachtete den Mann im kurzen Priesterrock, der ihm die Einwilligung Amenemhats zur Hochzeit seiner Tochter mit dem Sohn des Zweiten Dieners Amuns überbracht hatte, misstrauisch. Es war alles so plötzlich gekommen, viel zu plötzlich, seiner Meinung nach. Seit Monaten schickte er Geschenke in den Tempel, und nie hatten sie eine besondere Würdigung erfahren. Und nun dies: eine feierliche Verkündung im Beisein des halben Hofes! Aber, nun gut, begann er sich zu sagen, während er den Papyrus noch einmal las. Es konnte nicht schaden, sich neben der Gnade des Pharao auch wieder des Wohlwollens der Priesterschaft von Ipet-Isut zu versichern, sicher war sicher. Das Blatt mochte sich schließlich einmal plötzlich wenden – und dann…
    Mit einem Lächeln auf dem feisten Gesicht wandte er sich dem Boten zu: „Du kannst gehen! Überbringe dem erhabenen Ersten Diener Amuns meine dankbarsten Grüße! Ich werde mich gewiss erkenntlich zeigen!“
    Alle Umstehenden hörten seine Worte.

    Langsam ging Kahotep mit dem Knaben die Treppe zum ‚Haus des Todes’ hinunter. Der Geruch von Natron, Harz und Räuchermitteln schwebte in der Luft, verdichtete sich zu Gestank. Als die Balsamierer den Oberpriester gewahrten, ließen sie von ihrer Arbeit ab und verneigten sich.
    Der Novize betrachtete mit neugierigen Augen die Eingeweidekrüge, Salbentöpfe und Instrumente rings um sich. In den nächsten Tagen würde ihm beigebracht werden, wozu sie dienten.

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