Der Skorpion von Ipet-Isut
saures Gesicht gezogen hatten... Sie alle befanden sich in Haft und warteten auf ihre Verbannung oder Hinrichtung.
Der Verdacht war auf den Wesir gefallen, ganz wie Amenemhat es für den Notfall beabsichtigt hatte. Doch ansonsten war das Unternehmen fehlgeschlagen – und es hatte ihn eine weitere Verbindung in den Palast gekostet! Der Wind trug laute Stimmen aus der Vorstadt heran. Bewaffnete. Sie suchten immer noch nach den Mördern. Finden würden sie höchstens ihre Leichen im Schilf, dafür hatte Amenemhat gesorgt.
Er verschränkte die Arme, sah wieder hinunter und versuchte, seinen Zorn unter Kontrolle zu bekommen. In der Tat schienen sich alle Götter Kemets gegen ihn verschworen zu haben! Seine Jahre rannen dahin, und mit ihnen alle Pläne und Hoffnungen! Und zu allem Überfluss schienen die Götter ihn auch noch auserkoren zu haben, das Ende der beiden Lande mit zu erleben. Ein ruhmloses Ende in Armut und Streit unter der Hand eines unfähigen Königs!
Wenn es so weiter ging, würde er nicht nur die Hoffnung begraben können, jemals die beiden Kronen zu tragen, sondern sich außerdem auf ein Leben als Bettler in der Gosse einrichten können. Amenemhat lachte bitter und machte sich auf den Rückweg. Er wollte die Nacht in seinem Arbeitsraum im Tempel verbringen. Deboras hasserfülltes Abstandhalten konnte er im Augenblick nicht ertragen.
Djehuti hatte gedeckt zwischen den Bäumen gehockt und, so lange der Hohepriester auf dem Pylon stand, ihn beobachtet. Warum er hier her zurück gekommen war, wusste er nicht. Auf jeden Fall würde er sich nicht mehr in Amenemhats Dienste stellen! Den Tag über hatte der junge Schreiber im Palast verbracht, wo ihn auch die Nachricht von dem Mordanschlag auf Kahotep erreicht hatte. Ihm war unheimlich zumute gewesen. Das konnten nur jene Männer gewesen sein, die er in der vergangenen Nacht am Bitt-Tor gesehen hatte… Er war zu feige gewesen, etwas zu unternehmen, und nur den Göttern war es zu danken, dass der Oberpriester des Ptah noch am Leben war. Ausgerechnet Kahotep! Djehuti hatte im oft zugehört in den letzten Wochen. Was er gesagt hatte, klang so rein, erhaben und voller Hoffnung! Der junge Schreiber war jedes Mal hoch beeindruckt von den Visionen gewesen, die der Ptahpriester für Kemet entwarf. Solang, bis er Amenemhat darüber berichtete und dieser abschätzig den Mund verzog. Ein Blick aus den schwarzen Augen des Ersten Gottesdieners war genug, Djehutis Träume rasch zu Staub zerfallen zu lassen…
Der junge Schreiber seufzte und wandte sich vom Tempel ab, zurück auf den Pfad zum Fluss. Er wollte nie wieder einen Fuß nach Waset hinein setzen. Kahotep hatte recht, hier brütete das Übel…
Kapitel 12
Amenemhat schritt langsam über den Werkstatthof. Es war viel zu still hier für diese Jahreszeit. Normalerweise würde das Schleifen und Klopfen der Werkzeuge der Sandalenmacher jetzt erklingen, denn in diesem Monat waren für jeden der Gottesdiener Amuns ein paar neue Papyrussandalen vorgesehen. Aber die Konfiskation des Tempellandes vor nunmehr über fünf Monaten hatte diese Tradition durchbrochen. Die Arbeiter konnten nicht entlohnt werden und überdies hatte Ipet-Isut nur noch einen geringen Teil Priester in seinen Mauern, gerade so viel, wie für den Ablauf der täglichen Rituale unabdingbar waren.
Amenemhat blieb stehen, schlüpfte aus seinen löchrigen Sandalen und nahm sie in die Hand, um sie bei nächster Gelegenheit fort zu werfen. Wenn dieses Kind auf dem Thron denkt, ich küsse flehend den Boden unter seinen Füßen, damit er uns ein Stück Land zurück gibt, hat er sich getäuscht!
Dabei lagen weite Teile der an die Landlosen verteilten Parzellen längst wieder brach. Wer hatte schon auf Grund und Boden siedeln wollen, der Amun und seinen Dienern geraubt worden war? Dass es der Pharao selbst gewesen war, der den Befehl gegeben hatte, machte die Sache in der Sicht des einfachen Volkes nicht besser. Schließlich war es die Pflicht seiner Majestät, das Wohlwollen der Götter für die beiden Länder zu gewährleisten! Es brauchte nicht viel Nachhilfe der Amunpriester, um an die düsteren Zeiten des Verfluchten Pharao zu erinnern... Amenemhat dachte an das, was ihm Menkheperre vor zwei Tagen berichtet hatte. Eine alte Frau war in die Bittkapelle gekommen und hatte dem Priester angstvoll berichtet, sie hätte die ‚Zeichen’ des Verfluchten Pharao gesehen, und ob das Unheil jetzt über die beiden Länder kommen würde. Der Vierte
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