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Der Skorpion von Ipet-Isut

Der Skorpion von Ipet-Isut

Titel: Der Skorpion von Ipet-Isut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Napp
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Tempelwächter. Amenemhat verfolgte sein Kampftraining in den letzten Wochen intensiver denn je. Menkheperre wusste, dass Langeweile keineswegs der Grund hierfür war, sondern eher wachsende Frustration, an keiner seiner Fronten auch nur einen Schritt voran zu kommen.
    Gerade eben wich Amenemhat dem Hieb des mit einer Streitkeule bewehrten Tempelwächters mit einer raschen Drehung aus. Er selbst war unbewaffnet – es ging ihm darum, sich gegen eventuelle Angriffe eben in Situationen zu verteidigen, in denen er weder gerüstet noch vorbereitet war. Dem nächsten Angriff entging er, indem er sich fallen ließ und über die Schulter abrollte. Gleichzeitig versuchte er, seinen Trainingspartner mit einem Faustschlag gegen das rechte Schienbein aus dem Gleichgewicht zu bringen. Menkheperres Auftauchen beendete die Übung.
    „Was ist passiert?“ Amenemhat klopfte den Staub von seinem Gewand und trat auf seinen Freund zu.
    „Es sieht so aus, als ob einige Leute die nächste Flut nicht nur von der Gnade Usires abhängig machen wollen, sondern glauben, vorher noch die ‚üble Saat’ ausrotten zu müssen.“
    „Wieder eine von Kahoteps allseits geliebten Predigten!“ Amenemhat spie die Worte aus. „Der Hüter des Friedens und der Ordnung! Wunderbar!“
    „Er muss gar nicht einmal wieder seine Stimme erhoben haben“, entgegnete Menkheperre mit einem Seufzer. „Er hat den zündenden Funken gegeben damals – und das Feuer frisst sich weiter seither, so wie die Lage ist. Ein hungriger Magen ist immer ein guter Nährboden für Gewalt!“
    „Gab es Tote?“
    „Nein. Aber… nun, der Glasiermeister hatte mich versteckt. Ich weiß nicht, was sie mit mir angestellt hätten, wenn sie mich gefunden hätten. So bekamen nur zwei der Arbeiter ihren Zorn zu spüren, von denen sie wussten, dass sie Angehörige im Dienst Amuns haben.“
    „Schlimm genug.“ 
    Kahoteps Treiben musste ein Ende gesetzt werden! So rasch wie möglich! Dauerhaft! Seine Gedanken waren der negative Spiegel des strahlenden Mittags. Er dachte an Debora. Was würde sie sagen, wenn sie wüsste, dass er hier das Ende ihres offenbar so verehrten Oberpriesters des Ptah plante? Die Vorstellung war nicht sonderlich angenehm… Trotzdem beflügelte sie auf eine düstere Weise seinen Eifer, Kahoteps Zeit auf Erden erheblich abzukürzen. Debora schien ihn mit Freude quälen zu wollen – gut, er konnte ihr mit den gleichen Waffen antworten und ihr ebenfalls Schmerz zufügen! Der Hohepriester entließ seinen Übungspartner. Als er sich gemeinsam mit Menkheperre auf den Rückweg ins Innere des Tempels machen wollte, erhaschte sein Blick eine Kaskade roten Haares auf dem Dach einer der benachbarten Werkstätten. 
    Sie hat mir also wieder beim Training zugeschaut! Wahrscheinlich in der Hoffnung, dass mich irgendwann ein hässlicher Unfall ereilt, dachte er sarkastisch. 
    Menkheperre bemerkte, wie er das Gesicht verzog, entdeckte Debora ebenfalls und meinte: „Diese Fremdländerin ist wie ein zersetzendes Geschwür in dir! Du solltest sie zurück schicken, wo sie hergekommen ist, Amenemhat!“
    „Ja... vielleicht sollte ich das. Und mich anschließend vor Jny auf den Bauch werfen.“ Er lächelte den Vierten Gottesdiener an. „So weit ist es noch nicht. Noch lange nicht!“

    Die Tiefe des Kerkers sorgte dafür, dass modriger feuchter Geruch in ihm herrschte. Es war ein widerwärtiger Ort, und seine Insassen waren nicht minder widerwärtig. Amenemhat trachtete danach, seinen Besuch hier so kurz wie möglich zu halten. Er schritt an den vier Gefangenen vorbei, die auf dem Boden knieten, die Hände in Holzzwingen hinter dem Rücken. Sie hielten die Köpfe gesenkt bis auf Einen, der ihn mit unverhohlener Angst anstarrte. Wie ein von einer Kobra hypnotisiertes Beutetier. Es war jener Mann, der des Mordes an einem Arbeitskollegen in der Totenstadt angeklagt worden war.
    Nun zitterst du um dein eigenes erbärmliches Leben, dachte der Hohepriester amüsiert. Die anderen drei waren Teil einer Grabräuberbande, die man jüngst erwischt hatte, den Göttern sei Dank bevor sie zur Tat hatten schreiten können! Er war stehen geblieben und schob das Ende der Schilfrohrpeitsche unter das Kinn des zunächst Hockenden. 
    „Höre mir gut zu“, begann Amenemhat. „Du und ihr alle! Ihr seid noch am Leben allein deshalb, weil ich es wollte. Wenn ich entscheide, dass ihr euren Nutzen eingebüßt habt, landet ihr auf der Richtstätte!“
    Ein undeutliches, gutturales Krächzen

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