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Der Skorpion von Ipet-Isut

Der Skorpion von Ipet-Isut

Titel: Der Skorpion von Ipet-Isut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Napp
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damals in West-Waset... Sie starrte Amenemhat an. Es war der Moment, den sie gefürchtet hatte wie nichts sonst in den letzten Wochen. Sie war geflüchtet – aber jetzt hatte er sie eingeholt! Sie fühlte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss, aus Scham und Zorn über ihre eigene Reaktion.
    „Nichts, was das Herz zerstören könnte? DU bist der Zerstörer der Heiligen Ordnung und die Wurzel des Übels! Das waren Kahoteps Worte, genau das!“ Es war die einzige Verteidigung, die ihr einfiel. Sie drehte hastig den Kopf zur Seite, um Amenemhat länger ansehen zu müssen. Sein Blick hielt den Bann aufrecht. Sie musste ihn brechen! Unbewusst ballte sie die Hände zu Fäusten.
    Amenemhats Züge verfinsterten sich. Der Zauber des Augenblicks war verloren, sein frustrierter Zorn zurück gekehrt. Kahotep! Konnten sie nicht einen Moment für sich haben, ohne das der Oberpriester des Ptah dazwischen fuhr wie ein Wüstendämon?! 
    „O ja! Ich bin mir sicher, so ähnlich waren Kahoteps Worte! Er ist sehr groß in seinen Worten! Leider nicht in seinen Taten. Politik ist ein sehr kompliziertes … Spiel. Eine Gratwanderung, bei der manchmal Opfer gebracht werden müssen, um noch größere Opfer zu vermeiden. Zuweilen kann man nichts anderes tun als zusehen. Weil man nicht die Macht hat, das zu tun, was man gern tun wollte! Und insbesondere MIR hat Kahotep alle Möglichkeiten genommen, irgendetwas zu tun – zumindest offen. Er hat den Pharao dazu gebracht, Ipet-Isut und allen Tempeln des Amun in Kemet Land und Einkünfte zu nehmen. Er will uns buchstäblich aushungern – und bedauerlicherweise fehlt nicht mehr viel bis dahin.“ Sie hörte ihm nicht zu, das war deutlich zu merken. Seine Frustration erreichte ein gefährliches Niveau. „Aber...“, stieß er hervor als seien die Worte ein Dolch, „das wird dich sicherlich freuen, denn Kahotep hat ja einen großen Sieg errungen!“
    „Kahotep sagte, du opferst alles und jeden deiner Gier nach etwas, das dir nicht zusteht!“ rief sie. „Also ist es nur eine gerechte Strafe!“ Sie hatte sich wieder zu ihm umgedreht und ihre Augen funkelten wie die einer Wildkatze. Sie wollte einen Kampf, das war offensichtlich. Und er nahm die Waffen auf, die sie ihm entgegen streckte.
    „Was steht mir zu, Debora? Was steht einem jeden zu; wo ist der Platz, den die Götter uns zudenken? Ich weiß nicht, wie dein über alles geschätzter Kahotep dies sieht. Aber ICH sehe Personen in Würden und Ämtern, denen sie nicht gewachsen sind. Stehen sie IHNEN zu? Vielleicht bin ich bereit, sehr viel und sehr viele zu opfern. Aber nicht alles und jeden. Hast du dich je gefragt, was Kahotep opfern würde? Was er bereits geopfert hat für seinen Fanatismus? Nein, natürlich nicht, du bist viel zu beschäftigt damit, ihn zu vergöttern und mich mit deinem Abscheu zu überschütten! Du willst nicht einmal versuchen zu verstehen, worum es mir geht! Du kultivierst deinen Hass auf mich seit du hier bist!“ 
    Er konnte sich einfach nicht länger beherrschen. 
    „Was habe ich dir getan, Debora?“ Er griff sie am Arm, nicht allzu hart, aber fest genug, dass sie erschrocken aufschrie.
    „Lass mich los!“
    „Antworte mir! Was habe ich dir getan?“
    „Du tust mir weh! Lass mich los!“
    Von einem Augenblick zum anderen war nur noch Panik in ihrem Gesicht. Erschrocken über sich selbst ließ Amenemhat sie gehen.
    Debora rannte zur Treppe und verschwand. Amenemhat fuhr sich über das Gesicht und fluchte still. Verärgert starrte er wieder hinunter in Richtung der Stadt, den Hof des Tempels und die kleinen Häuser der Priester dahinter. Zorn und Schmerz kochten in ihm hoch. 
    Ich habe nichts, dachte er, nichts! Gar nichts! Keine Eltern, keine Kinder! Ich habe die Kronen der beiden Länder nicht, trotz all der Jahre des Kampfes um sie! Die Frau, die ich liebe, behandelt mich wie den letzten Dreck! Und... Er schleuderte die kaputten Sandalen in weitem Bogen über die Mauer ...ich habe nicht einmal mehr ordentliche Sandalen! 
    Eine Zeitlang stand er noch auf dem Pylon, bis der Sonnenstand ihm sagte, dass es Zeit wurde, sich zu der wartenden Barke am Fluss zu begeben. Heute wollte er nach West-Waset fahren, um den Stand der Arbeiten am Grabmahl des verstorbenen Pharao zu überprüfen. In weniger als einem Monat war die feierliche Überführungszeremonie des Sarkophages geplant.

    „Nun, wie weit sind die Arbeiten, Baumeister?“ 
    „Wir werden pünktlich fertig, Erhabener“, antwortete dieser und wischte

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