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Der Skorpion von Ipet-Isut

Der Skorpion von Ipet-Isut

Titel: Der Skorpion von Ipet-Isut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Napp
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die Sänfte half. Aber Khenti war nicht jemand, der sich durch Nichtbeachtung vertreiben lies. „Mein Lohn, Erhabener!“ forderte er erneut.
    Ein Silberstück fiel vor ihm vor die Füße. Der Bursche klaubte die magere Bezahlung aus dem Staub und setzte Amenemhat hinterher. „Erhabener! Ehrwürdiger Erster Diener Amuns!“
    „Ich sollte dir die Zunge herausschneiden! Du krakeelst wie ein läufiger Schakal!“
    Khenti machte eine tiefe Verbeugung und ließ wieder seine Zahnlücken sehen. „Ich bin dir immer zu Diensten, Erhabener Amenemhat! Gibt es noch irgendetwas, das ich tun kann für dich?“
    Der Hohepriester war im Begriff, den Mann fort zu scheuchen, doch dann fiel ihm etwas ein. „In der Tat… es gibt etwas.“
    „Ja? Ich höre?“
    „Es geht um ein Mädchen. Eine Fremdländerin mit heller Haut und Haaren wie der Sonnenaufgang.“ 
    Khentis eben noch geheuchelte Begeisterung bekam einen empfindlichen Schlag – er wollte sich nicht den Rücken krumm arbeiten oder die Füße wund laufen, bei all seiner Dienstbarkeit. „Die Zahl der Mädchen in Waset ist groß, o Herr. Wie soll ich…“
    „Diese eine wirst du finden! Ihr Name ist Debora. Los, und jetzt mach dich an die Arbeit! Ich will dich nicht eher in meiner Nähe sehen, als bis du sie gefunden hast!“ Damit ließ er Khenti stehen. Er hörte ihn noch vor sich hin brummen und sein Schicksal beklagen, bis er die Hauptstraße erreicht hatte.
    Debora… was für ein ungewöhnlicher Name, ging Amenemhat dabei wieder durch den Kopf. Stammte sie aus einem der syrischen Hirtenvölker? Was tat sie hier in Waset? Ihre Kleidung war relativ reich gewesen; sie musste aus einem wohlhabenden Haus kommen… War ihr Vater ein Händler? Oder einer der Edlen seines Volkes? Amenemhat wollte Antworten auf diese Fragen, und er wollte sie aus dem Mund dieser flammenhaarigen Göttin, so wahr Amun lebte!
    Auf ihrem Hof im Herrenhaus saß Debora auf ihrer Schlafmatte und war dabei, ihr Haar wie stets für die Nacht in Zöpfe zu flechten. „Tameri, es war so aufregend! Ich glaube, ich kann heute überhaupt kein Auge zutun!“ 
    Erst am Vormittag waren sie beide von ihrem verbotenen Ausflug nach West-Waset zurückgekehrt. Die alte Frau hatte den Göttern im Stillen ein Dankopfer gelobt für ihre glückliche Heimkehr und vor allem, dass der Hausherr noch nicht zurück war. Debora hatte den ganzen Tag geglüht vor lauter Aufregung, selbst am Abend, als sie ihren Vater schließlich begrüßte. Glücklicherweise war jener von dem Viehtrieb und den langwierigen Preisverhandlungen auf dem Markt so erschöpft, dass er darauf nicht sonderlich achtete, sondern sich ebenfalls bald zur Ruhe begab.
    „Du solltest lieber alles ganz schnell vergessen!“ brummte Tameri jetzt missmutig. „Es war dumm von mir, dieser Laune nach zu geben! Was hätte alles geschehen können! Hatte ich dir nicht gesagt, Kind, du sollst dich beeilen? Hatte ich dir nicht gesagt, du sollst dich nicht so weit vor wagen und man wird dich sehen? Hatte ich dir nicht gesagt, dass…“
    „Aber ich wollte wissen, ob das stimmte mit dem bösen Blick! Und-“ Triumphierend wandte Debora sich ihrer alten Amme zu, „-du siehst, ich bin nicht zu Stein erstarrt! Er hat mich sogar berührt, und es ist mir nichts geschehen! - Du wirst meinem Vater doch nichts erzählen, Tameri?“
    Nur ein Schnaufen bekam sie zur Antwort. Das junge Mädchen lächelte. Also war alles gut! Eine Zeitlang lag sie, noch immer zu aufgeregt, um Ruhe finden zu können, dann fragte sie: „Tameri?“
    Die etwas schläfrige Erwiderung sagte ihr, dass ihre alte Amme bereits am Einschlafen war, aber sie musste einfach unbedingt noch ein wenig reden! Wie konnte man denn überhaupt an Schlaf denken?! 
    „Was bedeutet der Name ‚Amenemhat’?“
    „Wie kommst du jetzt darauf?“ Deutliches Missfallen war in der Stimme der Angesprochenen zu hören.
    „Einfach so! Du hast mir einmal erzählt, jeder Name deines Volkes ist ein besonderes von den Göttern offenbartes Geschenk…“
    „’Amun ist der Erste’“, brummte Tameri jetzt, „Jetzt schlafe!“
    „Und warum nennen ihn die Leute ‚Skorpion’?“
    Die alte Frau seufzte. „Wo hast du das denn gehört?“
    „Bei der Prozession! Was hat das zu bedeuten?“
    „Ich weiß nicht!“ Die Art, wie sie das sagte, machte klar, dass sie in diesem Augenblick nichts wissen, oder vielmehr sagen wollte. Sie gähnte ostentativ. „Höre auf, mir Löcher in den Bauch zu fragen, Debora! Es ziemt sich

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