Der Skorpion von Ipet-Isut
ein Dieb eingeschlichen und wollte nicht mehr weichen. Das Mädchen schlug die Arme um sich, suchte etwas Wärme zu gewinnen. Aber es half nichts. Ihr war eiskalt, von innen her. Und die Kälte blieb bei ihr den ganzen Tag und auch die folgenden, begann, sich in eine seltsame Taubheit zu verwandeln, die sie einhüllte.
Menkheperre war auf dem Weg zu einem letzten Besuch für diesen Tag bei Amenemhat. Es ging ihm langsam etwas besser. Die Wunden begannen sich zu schließen und das Fieber sank. Aber noch gab es neidische Dämonen, die die Kunst der Ärzte des Tempels zunichte machen konnten! Und ob er je wieder ohne Krücke würde gehen können, war auch eine andere Frage…
In Gedanken versunken bemerkte der Vierte Gottesdiener kaum den Schatten am Rande seines Sichtfeldes. Erst einen Moment später hielt er inne, hob die kleine Öllampe. „Wer ist da?“
Keine Antwort. Das allein war schon verdächtig genug…
„Wer ist da?“ wiederholte Menkheperre etwas schärfer und konnte nun deutlich das Atmen einer anderen Person hören. Einer Person, die ganz offensichtlich Übles im Schilde führte. Der Priester wandte sich ab, so als habe er sich entschieden, der Sache keine Aufmerksamkeit weiter zu widmen, stellte seine Lampe auf den Sims im Hauptraum. In den Schatten hinter ihm kam Bewegung. Jetzt fuhr Menkheperre herum, sprang auf den Schemen zu und riss ihn zu Boden. Überrascht keuchte sein Opfer auf, versuchte sich zu befreien. Es war ein ganz junger Mann, erkannte der Vierte Gottesdiener nun im schwachen Licht seiner Lampe. Er sah aus wie einer der Priester des Tempels, aber das hieß noch nicht, dass er auch zu ihnen gehörte.
„Was hast du hier gewollt?“
Der Andere biss die Zähne zusammen und machte einen weiteren Befreiungsversuch. Menkheperre brachte ihn mit einem Hieb gegen den Unterkiefer wieder zu Fall und rief um Hilfe. Die Angst ließ seinen Gefangenen ungeahnte Kräfte entfalten. Ihm war klar, dass seine letzte Stunde geschlagen hatte, wenn ihm nicht gelang zu entkommen. Bei seiner verzweifelten Gegenwehr rutschte ein kleines Gefäß auf den Boden, rollte gegen die gegenüberliegende Wand und zerbrach. Menkheperres Kopf schnellte in die Richtung des Geräusches, und fast hätte sich der andere Mann nun doch aus seinem Griff befreit. Aber in diesem Moment erreichte einer von Amenemhats Dienern den Ort des Geschehens und blockierte den Fluchtweg, bewaffnet mit einem dicken Holz. Der Gefangene ließ sich wieder auf die Knie fallen und ergab sich in sein Schicksal.
„Erhabener, was ist passiert?“
„Ich weiß es noch nicht.“
Menkheperre stützte sich hoch, wischte sich das Blut von der Nase. Dabei fiel sein Blick wieder auf das kleine zerschellte Gefäß und er bückte sich danach. Es war leer. Eine unangenehme Ahnung stieg in ihm hoch. „Bringe den Mann in den Keller und sieh zu, dass er sich nicht davon macht!“
Dann rannte er in Richtung der Schlafkammer, stieß die beiden an der Wand stehenden Wasserkrüge sofort um, ohne sie einer genaueren Prüfung zu unterziehen. Amenemhat schlief, wie es auf den ersten Blick schien. Seine Lippen waren trocken, aber das hieß nicht, dass ein geschickter Mörder ihm kein Gift hätte einflößen können! Kurz entschlossen griff er ihn an den Schultern und zog ihn hoch.
„Amenemhat! Wach auf!“ Kam er etwa zu spät? Bei der Heiligen Dreiheit von Waset! „Amenemhat! Wach auf!“
„Menkheperre… was…“
„Ich glaube, dass man versucht hat, dich zu vergiften! Erinnerst du dich, vorhin jemanden bei dir gesehen zu haben?“
„Nein… nichts.“ Amenemhat kniff die Augen zusammen und versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen. Im Augenblick aber fiel das schwerer als gedacht. „Vergiften? Der… der Pharao?“
„Wer verantwortlich ist, weiß ich noch nicht.“ Menkheperre hörte hastige Schritte und erkannte ein weiteres Mitglied des Dienstpersonals. „Laufe in den Tempel und hole mir ein Brechmittel aus der Arzneistube! Stelle jetzt keine Fragen! Beeil dich! Und gib dem Hauptmann der Tempelwache Bescheid, er soll sofort zwei seiner verlässlichsten Männer hier als Posten abstellen!“
Tagelang hatte sich Debora kaum von ihrem Platz im Säulengang weg bewegt. Sie hatte versucht, das Chaos zu ordnen, das der Einsturz ihrer so sorgfältig gemauerten Schutzwälle hinterlassen hatte, doch nur mit mäßigem Erfolg. Sie traute ihren Gedanken nicht mehr und ihren Gefühlen noch viel weniger. Kahotep hatte sie nicht wieder gesehen. Aber
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