Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Skorpion von Ipet-Isut

Der Skorpion von Ipet-Isut

Titel: Der Skorpion von Ipet-Isut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Napp
Vom Netzwerk:
Amenemhats Liebe zu dieser Fremdländerin war ein Fluch.

    Es war schon spät in der Nacht, aber Kahotep saß noch immer an seinem Tisch, die Papyri vor sich, auch wenn er nicht mehr darin las. Er hatte die Rechnungslisten des Tempels und die Lohnzahlungen für die gerade hier tätigen Arbeiter durchgesehen und war dann einfach hier sitzen geblieben, in düstere Gedanken versunken. Das rothaarige Mädchen, das ihn am Nachmittag im Hof so sehr an seine leidige Geschichte mit Itakaiet erinnert hatte, war seinem Gedächtnis längst entschwunden. Etwas viel Bedeutsameres bedrückte ihn: sein letztes Gespräch mit dem Pharao.
    Ramses war nicht willens, einen neuen Hohepriester für den Amuntempel einzusetzen, solange Amenemhat noch am Leben war. Dabei war diese Gelegenheit so günstig! Und mit einem loyalen Ersten Diener Amuns in Ipet-Isut brauchte seine Majestät sich keine Sorgen mehr über einen Angriff auf sein Leben von dieser Seite aus machen; die Querelen, Streitereien und Intrigen bei Hofe würden zu einem Großteil in sich zusammen fallen wie ein schlecht gebundenes Schilfbündel! Ramses könnte sich endlich frei der Verlegung der Residenz widmen! Kahotep seufzte und starrte durch das Fenster in den Nachthimmel. Aber noch war Amenemhat am Leben!
    Der Gedanke, der den Oberpriester plötzlich durchzuckte, ließ ihn frösteln. Unwillkürlich flüsterte er ein Gebet um Schutz vor den flüsternden Mächten des Bösen. Oh, die Überlegungen waren so verführerisch, schmeichelnd, verlockend... Es könnte einfach sein, so einfach, dieses Leben zu beenden! Für einen Arzt wie er es war. Niemand würde auch nur einen Verdacht schöpfen!
    Es wäre so leicht...
    Kemet von ihm zu befreien...
    „Nein!“ Er sprang auf und fegte in einem Anfall von Zorn auf sich selbst die Papyri vom Tisch. Die verführerische Stimme in seinem Kopf war zum Schweigen gebracht – für jetzt zumindest.

Kapitel 14

    Der Erste Mundschenk hatte den Palast noch vor Sonnenaufgang verlassen, ohne seinen üblichen Aufputz und ohne Perücke. Er hatte sogar die Hände in den Straßendreck getaucht und sich Gesicht und Arme damit eingerieben, bis er aussah wie ein Bettler, der seine Tage unter freiem Himmel zubrachte. Alles, was er mitgenommen hatte, war eine Waffe, um sich notfalls übelwollender Gesellen zu entledigen. Denn der Ort südlich von Waset, zu dem er unterwegs war, genoss keinen guten Ruf. Vorsicht war immer angeraten, auch wenn ihm der Weg zu der ‚Dämonenflüsterin’ nicht ganz unbekannt war. Sein Bruder war ein oder zweimal bei der Alten gewesen, hatte sich glückbringende Zaubersprüche für seine Grabraubunternehmungen besorgt. Letztlich, resümierte der Mundschenk des Pharao, hatte ihm das alles nichts geholfen! Die Mejai hatten die ganze Bande ausgehoben, und der erhabene Erste Gottesdiener des Amun hatte Sethnakht mit besonderer Freude, wie sein Bruder heute fand, zur Pfählung verurteilt! Darauf würde er jetzt endlich die schuldige Antwort geben! Wenn die ‚Dämonenflüsterin’ diesmal nicht genauso versagte wie mit ihren Bannsprüchen…
    Aber, dachte der Mundschenk, diesmal konnte er ihr wohl vertrauen! Schon allein deshalb, weil sie keinen Lebenden vor der Rache der Toten schützen sollte – eine sicherlich schwere Aufgabe! Sondern nur einem fast schon Toten über die letzte Hürde in die Unterwelt helfen!
    Er lächelte voller Vorfreude und bedauerte nur, dass er den entscheidenden Augenblick nicht würde miterleben können…

    Angewidert von dem Gestank, der sich von den Schlachtereien hier über die Gassen legte, lief der Mundschenk an den baufälligen Behausungen der Vorstadt vorbei. Dutzende neugieriger Kinderaugen verfolgten ihn. Die Flüchtlinge aus dem Delta hatten die Zahl der sich hier zusammen drängenden Menschen in den letzten Monaten weiter erhöht.
    Ein Hund sprang dem Höfling entgegen. Er wich aus und hörte ein keuchendes Kichern hinter sich. Ein alter Mann, beladen mit einem Korb voller Kuhdung, grinste ihn an.
    „Der frisst dich nicht, so zahnlos wie der ist, Bursche! Was suchst du hier, he? Hab dich noch nie hier gesehen?“
    „Ich bin auf dem Weg zu einer... Heilkundigen. Eine alte Bekannte.“
    „Heilkundige?“ Wieder kicherte der Alte, dabei gegen den Fliegenschwarm anfächelnd, der ihn und seinen Korb umschwirrte. „Wenn du krank bist, geh lieber in den Tempel! Von den Tränken der alten Hexe da unten...“ Er wies zum Wasser, „...wirst du eher verrecken als gesund werden, dass glaub

Weitere Kostenlose Bücher