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Der Skorpion von Ipet-Isut

Der Skorpion von Ipet-Isut

Titel: Der Skorpion von Ipet-Isut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Napp
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er sich immerhin diese Frage stellen konnte. Er erinnerte sich dunkel an einen Besuch Menkheperres und die Worte, jemand habe ihn vergiften wollen… Wann war das gewesen? Er fuhr sich über das Gesicht und stellte fest, dass ein ungewohnter Bart Wangen und Kinn bedeckte. Eine ganze Menge Tage schienen also vergangen zu sein… Amenemhat stützte sich hoch, ließ den Blick über den Verband um sein Bein wandern. Wer auch immer es darauf abgesehen hatte, mich ins Totenreich zu befördern, er war ein Stümper! Er lächelte grimmig.
    Eine von weit her klingende Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Debora? Spielte ihm Fieber noch immer einen Streich? Dass sie beinahe das Erste war, woran er dachte, ärgerte ihn schon im nächsten Moment. Er wollte ihr nicht einen Gedanken mehr widmen! Es war aus und vorbei! Und so wahr Amun lebte -
    Da war die Stimme wieder, näher diesmal, und auch noch eine zweite, männliche! Amenemhat schwang die Beine aus dem Bett, stand auf – keine gute Idee, wie ihm sofort klar wurde. Nur ein rascher Griff um das Kopfende des Bettes verhinderte, dass er zu Boden sackte wie ein gefällter Baum. Er presste die andere Hand gegen die Stirn, kämpfte gegen die Schmerzen und den Schwindel an.
    Die Stimmen waren jetzt ganz nah. Kein Zweifel, es war Debora. Und er lehnte hier, an sein Bett geklammert, nicht einmal in der Lage, selbständig zu stehen! Einen Augenblick später sah er sie, neben den Tempeldienern, die vor seiner Schlafkammer Wache hielten. Sie versuchten, sie mit gekreuzten Speeren am weiteren Vordringen zu hindern. Ihre Haare leuchteten im Schein der Öllampen an den Wänden. Kurz war der Hohepriester doch versucht, an einen Fiebertraum zu glauben…
    Debora umklammerte die Schäfte der Speere und versuchte umsonst, sich den Durchgang zu erzwingen. Bis Amenemhat ihnen mit einer Geste gebot, den nächtlichen Gast passieren zu lassen. Eben noch hatten ihm eine ganze Reihe sarkastischer Worte auf der Zunge gelegen. Ob es ihr schon zu langweilig bei ihrem geliebten Kahotep geworden sei, und dergleichen. Aber jetzt brachte er nur ein leises „Debora“ über die Lippen. Einen Moment lang sahen sie sich an. Sie war zurück gekommen… Bei der Heiligen Dreiheit von Ipet-Isut, sie war zu ihm zurück gekehrt!
    „Geht“, befahl er den beiden Wächtern.
    „Erhabener, der Vierte Gottesdiener hat uns angewiesen…“
    „Und der Erste Gottesdiener teilt euch mit, dass euer Dienst beendet ist!“
    Die Männer neigten den Kopf und zogen sich zurück. Während ihre Schritte im Dunkel des Hauses verklangen, begannen sich ein oder zwei der Bediensteten zu regen. Ipu schob sich neugierig näher. Aber das alles nahm Amenemhat nicht mehr wahr. Alles, was er registrierte war, dass Debora sich plötzlich schluchzend an ihn klammerte.
    „Ich habe gedacht… du stirbst!“
    „Nun… diese Freude werde ich meinen Gegnern so rasch nicht bereiten.“
    „Ich habe gedacht, ich komme und… und du bist tot! Ich hatte solche Angst, Amenemhat!“ Es war das erste Mal, dass sie ihn beim Namen nannte.
    Er hatte die Arme um sie gelegt, rein instinktiv. Noch hatte das, was geschah, nicht die Möglichkeit gehabt, wirklich in sein Bewusstsein zu dringen.
    „Debora!“
    „Ich hatte solche Angst…“ wiederholte sie. „Ich wollte dich nicht verlieren! So wie alle anderen, so wie meinen Vater! Alle, die ich geliebt habe, sind tot!“
    Er strich die Tränen von ihrem Gesicht und wisperte beruhigende Worte. Sie war zurück gekehrt! Und er hielt sie in seinen Armen! Es kam ihm kein Gedanke an Sieg oder Triumph. Er fürchtete nur, mit irgendeiner unachtsamen Geste das Geschenk ihrer Gegenwart wieder zu verlieren; aus dem Traum heraus gestoßen zu werden.
    „Hör’ auf zu weinen“, flüsterte er erneut. 
    Sie schüttelte den Kopf. „Ich weiß, dass ich dir weh getan habe! Ich hatte Angst, ich… Es tut mir so leid, was ich-“
    Amenemhat stoppte ihre weiteren Worte mit einem Finger auf ihren Lippen. „Denke nicht mehr zurück! Dieses Leben ist vorbei, vergangen!“ Er hätte ihr selbst einen Mordversuch verziehen. In diesem Moment waren aller Ärger und aller verletzter Stolz der letzten Monate vergessen. Er vergrub die Finger und dann sein Gesicht in ihrem Haar, genoss ihre Nähe. 
    Erregung flutete über ihn, während seine Finger abwärts wanderten, über ihren Hals, ihre Schultern, ihre Brüste. Er hatte von diesem Augenblick geträumt, seit jener Nacht in West-Waset. Und jetzt endlich war er gekommen! Deboras

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