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Der Skorpion von Ipet-Isut

Der Skorpion von Ipet-Isut

Titel: Der Skorpion von Ipet-Isut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Napp
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Augen waren groß und glänzend, spiegelten wider, dass sie das Gleiche fühlte wie er. Worte waren nicht länger nötig zwischen ihnen. Amenemhat neigte sich ihr zu, küsste sie sanft, sich gegen das erneute Schwindelgefühl wehrend. Um nichts auf der Welt hätte er seine Geliebte freigegeben. Jetzt, da sie sich ihm zu öffnen begann wie eine Blüte beim Kuss des ersten Sonnenlichts.

    Ein Moment des Erschreckens begleitete Deboras Übergang aus den Gefilden des Schlafes in die Realität. Aber die Desorientierung währte nur kurz, dann fühlte sie Amenemhats warmen Körper neben sich und den beruhigenden Rhythmus seines Atems. Sie lauschte in sich hinein und spürte erst jetzt, wie sehr sie sich danach gesehnt hatte, ihm so nah zu sein. Letzte Nacht hatte er sie in ein Meer der Leidenschaft geworfen, das sie gerade erst begonnen hatte zu erkunden… und es schien noch viele wundervolle Tiefen bereit zu halten… Die Helligkeit im Zimmer sagte ihr, dass die Sonne bereits aufgegangen sein musste, selbst wenn sie nicht direkt durch das Fenster schien. Sie dachte an ihre erste Begegnung mit Amenemhat in West-Waset, an den Zorn ihres Vaters, als er von ihrem verbotenen Ausflug erfuhr. Wie vieles hätte anders verlaufen können, wenn er sie damals nach Ipet-Isut hätte gehen lassen?
    Sie wandte den Kopf zu ihrem Geliebten. Er schlief, den Mund leicht geöffnet und noch mit dem Hauch eines glücklichen Lächelns. Sie streckte die Hand aus, streichelte über sein Gesicht, als müsse sie sich vergewissern, dass dies kein Traum war. Als er die Augen öffnete, fragte sie sich, wie sie jemals etwas anderes als Freude hatte empfinden können, wenn er sie ansah. Wie überhaupt hatte sie so lang ohne ihn leben können?
    „Guten Morgen, meine Königin.“
    „Ich bin keine Königin... das weißt du“, erwiderte sie und bettete ihren Kopf auf seine Brust. 
    „Doch, das bist du.“ Er legte die Arme um sie, fühlte sich jung und trügerisch unschuldig, so frei und reich, wie er geglaubt hatte es zu werden, wenn er erst die Kronen trug. 
    „Ich werde dein Sklave und du wirst meine Königin sein... Du bist die Frau, die ich liebe, die einzige Frau, die ich je lieben werde…“ 
    In diesem Moment kam es Amenemhat frevelhaft vor, dass er diese Worte schon einmal zu einer anderen Frau gesagt hatte. Nefertari. Ihr gegenüber waren sie nie mehr als eine bedeutungslose Hülle gewesen. Und jetzt erschien die so oft von praktischem Nutzen gewesene Hülle gar nicht mehr angemessen, das aufzunehmen, was er wirklich sagen wollte. Die Worte waren ein brüchiges Gefäß! Wo sollte er beginnen, auch nur annäherungsweise zu beschreiben, was sie ihm bedeutete?
    „Ich habe gerade daran gedacht“, klang Deboras Stimme wieder zu ihm, „wie es gewesen wäre, wenn Vater mich damals hätte zu dir gehen lassen, anstatt mich nach Waset zu Zoros zu schicken. Wie viele wundervolle Zeit wir schon zusammen gehabt hätten.“
    „Und… wenn du nicht so stur gewesen wärest. Aber das ist jetzt nicht mehr wichtig, Debora. Und vielleicht hätte ich dich nicht so lieben können wie ich es jetzt tue“, erwiderte er nachdenklich und spielte mit ihrem Haar. „Die Götter haben uns geprüft und ich hoffe, wir haben ihre Prüfung bestanden. Umso mehr werden wir die Zeit genießen, die sie uns von nun an schenken!“
    „Ja...“
    Wieder streichelten ihre Finger über seine Wangen.
    „Ich weiß...“ sagte er jetzt mit einem schelmischen Lächeln. „Ich brauche eine ordentliche Rasur, sonst sehe ich bald aus wie ein syrischer Barbar...“
    Aber diese seine eigenen Worte waren es, die ihn aus den paradiesischen Sphären seiner Liebe unsanft in die Realität zurück stießen. Er war kein unschuldiger Knabe, auf dessen Schultern nichts als der Sonnenschein ruhte! Er war der Erste Gottesdiener von Ipet-Isut! Von einem Moment zum anderen war sein Gesicht ernst. Er stützte sich hoch.
    „Ich muss in Erfahrung bringen, was sich im Palast getan hat. Ich nehme an, einigen dort wird es übel aufstoßen, dass ich nicht ins Totenreich abgetreten bin. Ich brauche... einen Stock, irgendeine Krücke...“
    „Ich suche dir etwas!“
    Sie schlüpfte in ihr Kleid und rannte hinaus, auf dem Weg dem alten Ipu zurufend, er solle Feuer im Backofen machen. Hinter dem Haus im Garten fand sie einen knorrigen Stab, wohl ursprünglich vorgesehen zum Anbinden der Weinranken. Als sie damit zurück kehrte, hatte Amenemhat es aus eigener Kraft wenigstens bis in den Hauptraum geschafft,

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