Der Skorpion von Ipet-Isut
begann Kahotep vorsichtig, „so erscheint es mir… weitblickender, die Weisheit eines anderen Gottes zu suchen.“
Ramses war zu sehr mit seiner Nubierin beschäftigt, und es dauerte einen Moment, ehe er antwortete: „Ich bin der Pharao, ich bin der Sohn Amun-Ras! Mein göttlicher Vater wird zu MIR sprechen, wenn ich seinen Rat suche! Es ist unerheblich, was Amenemhat für üble Dinge dort ausbrütet! Ich brauche ihn nicht, damit mir mein göttlicher Vater die Wahrheit offenbart!“
Die Nubierin quiekte und Kahotep brauchte all seine Zurückhaltung, um sich seine Abscheu nicht zu deutlich anmerken zu lassen.
„Majestät, du solltest das Orakel des Usire in Abudo befragen.“ Doch Kahoteps Worte stießen auf taube Ohren. Ramses war jung und wollte ganz offensichtlich seine Tage genießen, abseits von politischen Erfordernissen.
„In Abudo?“, unterbrach der Pharao seinen Berater ungeduldig. „Das dauert mir viel zu lang! Ich will wissen, ob Kiya einen Sohn gebiert oder nicht!“ Eine unwirsche Handbewegung begleitete diese Worte und sagte Kahotep, dass er entlassen war.
„Meritamun! Herrin!“
Es dauerte einen Moment, ehe Debora reagierte. Sie hatte sich noch immer nicht an den Namen gewöhnt, den Amenemhat ihr gegeben hatte. Genauer gesagt, kämpfte sie sogar ein wenig damit. Meritamun – Geschenk Amuns. Es schien ihr fast nicht möglich, dem gerecht zu werden, was der Name bedeutete. Aber er hatte ihre Einwände zur Seite geschoben mit der Erklärung, die Gemahlin des Ersten Gottesdieners von Ipet-Isut brauche einen Namen, der ihrer würdig sei und dem Stand, den sie von nun an einnehmen sollte… „Meritamun!“ Endlich hatte das Mädchen, ein kaum zehnjähriges Kind, sie im Gewühl des Markttreibens erreicht. Sie war ihre Dienerin, noch etwas, an das sich Debora gewöhnen musste! Soweit sie wusste, war die Kleine die Tochter eines der Tempelwächter in Ipet-Isut, und wollte einmal Tempelsängerin werden. Debora war nicht der Meinung gewesen, eine Dienerin zu brauchen – schließlich war sie weder alt noch krank. Doch mittlerweile hatte sie sich mit dem Mädchen angefreundet. Und die Freude über den Marktbesuch teilten die beiden ohne Zweifel. Ihr Vater hatte Debora früher niemals auf den Markt gehen lassen, denn das bedeutete ja, sie hätte die Stadt betreten müssen, die er so verabscheute.
„Ich habe die Zwiebeln“, verkündete ihre kleine Dienerin gerade stolz und hielt ihr den Korb zur Begutachtung vor.
Debora nickte und sah sich nach den übrigen Dingen um, wegen denen sie gekommen waren. In unmittelbarer Nähe verriet der Geruch auch ohne das kunstvolle Anpreisen des Händlers einen Fischstand. Aber alle Arten von Fisch galten für die Priesterschaft Kemets als unrein, hatte Amenemhat ihr erklärt. Das kam also nicht in Frage. Die Hühner und Tauben auf einem weiteren Marktstand sahen verlockend aus. Doch die konnte sie sich nicht leisten. Ipet-Isut brauchte sein Land zurück. Das war die Sorge, die Amenemhat vor allen anderen beschäftigte in diesen Tagen. Und nun beschäftigte sie auch Debora. Sie hatte das Lächeln wieder schwinden sehen aus seinem Gesicht in den Tagen nach ihrer Hochzeit. Sie hatte erfahren von dem ersten toten Kind, und wenig später von dem nächsten… Selbst die Schätze von Ipet-Isut reichten nicht, um genügend Getreide für Brot und anderes für alle Angehörigen der Tempel zu erwerben. Und vor drei Tagen war ein Verbot des Pharao ergangen, irgendetwas zu kaufen, was das Siegel des Amun trug.
„…Ach, wen haben wir denn da?“
Die vor Ironie triefende Stimme riss Debora aus ihren Überlegungen. Sie sah sich suchend um und erkannte an einem der Stände in der Nähe zwei junge Frauen. Sie irgendwo schon einmal gesehen zu haben, konnte sie sich nicht erinnern. Aber offenbar war SIE ihnen wohlbekannt! Die eine der Fremden, mit einem Lotusblütenband im Haar, setzte jetzt ein gekünsteltes Lächeln auf, während sie fortfuhr: „Die neue Gespielin des Herrn von Ipet-Isut! Wie niedlich!“
„Die edle Meritamun ist seine Gemahlin!“ platzte die kleine Dienerin heraus und erntete Gelächter.
„So, du musst es ja wissen, kleiner Dreck du!“
Ehe Debora dazwischen gehen konnte, hatte die eine der Frauen das Kind so heftig in die Wange gekniffen, dass ihm Tränen in die Augen traten.
„Seine Gemahlin“, wiederholte sie mit gekünstelter Stimme, „Und wer, glaubst du, Rotschopf, wärmt außer dir noch sein Bett?“ Die fremden Frauen wandten sich
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