Der Skorpion von Ipet-Isut
lachend um. „Du denkst doch wohl nicht im Ernst, dass er es bei DIR bewenden lässt, oder? O du kleines Dummchen…“
Debora legte die Arme um ihre Begleiterin, auf deren Wange immer noch der rote Abdruck zu sehen war. Sie war wütend, weniger wegen der Beleidigung, die sie getroffen hatte, als der gegen Amenemhat. Sie vertraute ihm voll und ganz. Sie wusste, dass sie es konnte, dass er sie nicht betrog. Und dass Andere das glaubten, tat ihr weh.
„Komm“, sagte sie, sich aufrichtend und ihre kleine Dienerin mit sich ziehend. „… wir müssen noch Korn und Gewürze besorgen, und frisches Obst!“
Das Mondlicht fiel durch das Fenster in die Kammer und Debora sah, dass ihr Geliebter mit offenen Augen da lag; tief in Gedanken, denn er bemerkte nicht einmal ihre Berührung.
„Amenemhat?“
Er war bereits während des Essens und den Rest des Abends schweigsam und nachdenklich gewesen. Sie hatte ihm nichts erzählt von dem unangenehmen Erlebnis heute auf dem Markt, merkend, dass irgendetwas Wichtiges ihn beschäftige. Aber allmählich machte sie sich doch Sorgen. „Was hast du?“
„Morgen wird Iny nach Ipet-Isut kommen, um Amun zu befragen, ob ihm seine Gemahlin einen Sohn schenkt oder nicht. Ich muss etwas tun. Die Gelegenheit nutzen, um unser Tempelland zurück zu bekommen! Und ich muss Iny von dem verrückten Gedanken abbringen, die Residenz ins Delta zu verlegen! Was für eine irrsinnige Idee, in dieser Situation! Einen größeren Gefallen kann er Smendes von Men-Nefer gar nicht tun, als sich quasi kampflos in seine Hände zu begeben!“
„Nach allem, was du mir erzählt hast, wäre Ramses nicht mehr als eine Geisel im Delta…“
„Natürlich wäre er das! Smendes würde ihn ausquetschen wie eine Ölfrucht, bis er ihm seine Unabhängigkeit abgerungen hat, und die Götter wissen, was noch!“
„…und was sollte aus Waset werden ohne den Hof des Königs?“ fuhr Debora fort. „Alle Edlen und die Beamten werden ihm folgen müssen, und wenn sie gehen, gehen die Händler und Handwerker…“
Amenemhat wandte sich um und ließ die Hand über ihren nackten Körper gleiten. Der Leib einer Göttin und der Verstand einer Königin, dachte er dabei. Es war ein wundervolles Gefühl, teilen zu können. Nicht nur das Bett wie mit Nefertari all die Jahre, sondern auch Hoffnungen, Träume, Sorgen, sein ganzes Herz und seine ganze Seele. Zumindest… beinahe alle Träume und Sorgen. Es gab sehr wohl Dinge, von denen er wollte, dass sie nie davon erfuhr. Das Attentat auf Kahotep war eines davon. Oder das Attentat auf ihn selbst, dessen Drahtzieher er noch immer nicht gefunden hatte. Amenemhat hatte sich eingeredet, dies und einiges andere sei unerheblich für ihre Beziehung und würde Debora allerhöchstens belasten. In Wahrheit fürchtete er, die Illusion unbeschwerten Glücks zu verlieren, fürchtete, seine Geliebte zu verlieren – und war sich nicht sicher, ob er das würde ertragen können.
„Waset ist das Herz Kemets, und der Herrscher der beiden Länder gehört an diesen Ort, Wenn dem Herzen die Lebenskraft geraubt ist, stirbt es, und ohne das Herz geht der ganze Leib zugrunde! Wenn Iny wenigstens die Gelegenheit nutzen würde für einen Kriegszug gegen die Libyer! Aber das ist verlorene Hoffnung! Ehe er auch nur auf die Idee kommt, verfahren sie alle sämtlich nach ihrem Willen mit ihm; er wird zu ihrer Puppe werden, wie jetzt zu der Kahoteps! Nein, ich kann und werde dem nicht länger zusehen und abwarten!“
„Was willst du tun?“
„Nun… mir stehen ein paar Mittel und Möglichkeiten zur Verfügung, Iny das hören zu lassen, was zu hören er sicher nicht erpicht ist! Ich werde dem ‚Ruhmreichen Horus’ einen kleinen Schrecken einjagen!“
Amenemhat lächelte in Vorfreude, aber Deboras erschrockene Augen ließen das Gefühl abrupt ersterben. Sie hatte Angst vor ihm?! Er war zu weit gegangen und sie hatte einen Blick in den Abgrund geworfen, den er so gern vor ihr verborgen hätte…
„Dass heißt… du wirst einen … falschen Richtspruch geben? Fürchtest du nicht, dass Amun dich dafür straft, wenn du seinen Namen missbrauchst?“
Nein, sie hatte nicht Angst vor, sondern UM ihn! Mit einem raschen Griff zog er seine Geliebte zu sich. „Der Wunsch Amun-Ras für Kemet ist Frieden, Wohlstand und Sicherheit. Ich bin sein oberster Priester, und ich kann diesen Wunsch auslegen nach meinem besten Gewissen. Ich MUSS ihn danach auslegen! Ich kann mich nicht hinter dieser Mauer aus Moral und
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