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Der Skorpion

Der Skorpion

Titel: Der Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
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erklärte Naturwissenschaftlerin, aber die religiösen Bräuche ihrer Kindheit kamen in solchen Extremsituationen wieder zutage. Selena Alvarez glaubte an Gott, vielleicht nicht so ausschließlich, wie ihre Großmutter Rosarita es gewünscht hätte, aber sie glaubte und stand dazu. Gelegentlich handelte sie sich schräge Blicke von Brewster und Watershed ein, doch die ignorierte sie. Pescoli allerdings hatte nie eine Bemerkung fallen lassen oder sich so verhalten, als wäre es etwas Außergewöhnliches.
    Als sie jetzt die Leiche betrachtete, brauchte sie ihren Glauben, wenngleich der Trost im Angesicht der bitteren Kälte und der an eine einzelne Kiefer gefesselten toten nackten Frau nur flüchtig sein konnte. Sie war eine zierliche Weiße, doch ihre Haut sah nun bläulich aus. Das kurze blonde Haar hing in gefrorenen Strähnen herab. Ihr schneebedeckter Kopf neigte sich nach vorn. Der Körper wies Blutergüsse auf, die dicken Seile schnitten in ihr Fleisch.
    »Heiliger Strohsack«, flüsterte Brett Gage mit finsterer Miene.
    »Kein schöner Anblick, wie?« Ernst betrachtete Pescoli die grausige Szene. »Herrgott, ich brenne darauf, den Psychopathen zu schnappen, der das getan hat.«
    Stephanie Chandler studierte die Spuren im Schnee. »Wäre schön, wenn wir dieses Mal einen Schritt weiterkämen. Vielleicht nehmen die Hunde Witterung auf.«
    »Wollen wir es hoffen«, flüsterte Alvarez. Bisher hatten sich die Such- und Rettungshunde als nutzlos erwiesen, doch an diesem Tag herrschte klareres Wetter, und gut erkennbare Spuren führten von der Lichtung zum Wald und zurück. »Was ist da drüben?«
    »Keine Zufahrtsstraße, jedenfalls keine, die benutzt wird, aber früher war da ein Privatweg zu einem Bergwerk, das seit Jahrzehnten stillgelegt ist.« Gage hatte eine Karte hervorgeholt und faltete sie so auf, dass ihr Standort sichtbar war.
    »Stehen da noch Gebäude?«, fragte Alvarez.
    Gage schüttelte den Kopf. »Weiß nicht.«
    »Einer muss nachsehen.«
    »Ich gehe«, bot Gage an. Er hielt sorgfältig Abstand zu den Spuren, um kein Beweismaterial zu zerstören, und stapfte in Richtung einer Gruppe Kiefern am anderen Ende der Lichtung, dorthin, von wo aus die Spuren verliefen.
    »Der Kerl ist bestimmt nicht so dumm, sich in der Nähe aufzuhalten.« Dessen war Alvarez sicher.
    »Meinst du?« Pescoli musterte ihre Partnerin durch die hellbraunen Gläser ihrer Sonnenbrille. »Jeder macht mal einen Fehler. Auch ein Psychopath.«
    Stimmt schon, dachte Alvarez.
    »Dieser Kerl nicht.« Stephanie Chandler stand ein paar Meter entfernt. Sie hatte das blonde Haar unter eine marineblaue FBI -Kappe gesteckt und tastete den Tatort Zentimeter für Zentimeter mit Blicken ab. »Er ist zu penibel. Er hat sich die Tat tausendfach durch den Kopf gehen lassen. Er macht keine Fehler.«
    Pescoli gab nicht nach. »Alle machen Fehler. Darüber stolpern sie dann. Wollen wir hoffen, dass dieser Typ nicht unfehlbar ist, sonst steht uns noch viel Schlimmeres bevor.«
    Chandler sagte: »Sie machen nur Fehler, wenn Druck ausgeübt wird. Das ist uns bei diesem Kerl noch nicht gelungen.«
    »Noch nicht«, sagte Pescoli. »Aber es wird uns gelingen.«
    »Hoffentlich.« Chandler ließ den Blick über die Wälder der Umgebung schweifen.
    »Ich glaube, sie ist noch nicht lange tot«, bemerkte Watershed. »Der Körper fühlt sich wärmer an als die anderen, und auf den Spuren liegt kein frischer Schnee. Vielleicht finden die Hunde etwas.« Er blinzelte und blickte Gage und den Spuren im Schnee nach, den Spuren des Mörders. »Er ist auf dem gleichen Weg weggegangen, auf dem er gekommen ist.«
    »Wie in den anderen Fällen auch«, bestätigte Alvarez.
    Die Kriminaltechniker trafen ein und machten sich an die Arbeit, sammelten alles, was als Beweismaterial dienen konnte, von der Leiche und in der Umgebung ein, fotografierten den Tatort und das Opfer von allen Seiten, suchten nach irgendetwas, was der Mörder zurückgelassen haben könnte.
    »Das ist nicht Jillian Rivers«, sagte Alvarez abrupt.
    Pescoli nickte. »Sie hat keinerlei Ähnlichkeit mit dem Führerscheinfoto. Die Beschreibung passt überhaupt nicht. Rivers ist etwa eins siebzig groß und wiegt etwa achtundfünfzig Kilo, und diese Frau ist knapp eins sechzig und wiegt höchstens fünfzig Kilo.«
    Alvarez raffte sich auf und studierte die Leiche eingehend. »Rivers hat hellbraune Augen und langes dunkelbraunes Haar; diese Frau ist blond. Das Haar könnte geschnitten und gefärbt sein, aber das

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