Der Skorpion
im Handumdrehen zurück«, sagte er, und dann hauchte er ihr zu ihrer Überraschung einen federzarten Kuss auf die Wange. »Halte die Stellung.«
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17. Kapitel
H
ilfe!
Diane kämpfte gegen die Kälte und das Seil, das sie an den Baum fesselte, doch je heftiger sie sich wand und krümmte, desto tiefer schnitten ihr die Fesseln ins Fleisch. Sie versuchte zu schreien, zu brüllen, sich mitzuteilen, doch der Knebel dämpfte ihre Stimme, so dass alles, was sie hörte, nur erstickte Laute, das wilde Klopfen ihres Herzens, das Rauschen des Windes und die Stimme in ihrem Kopf war, die ihr ihre eigene unverzeihliche Dummheit vorwarf.
Wie hatte sie diesem Monster nur vertrauen können, das sie gerade an den Baum mit der rauhen Borke fesselte? Er hatte sie entkleidet, und sie hatte sich nicht gewehrt. Hatte er sie unter Drogen gesetzt? War sie gelähmt gewesen vor Angst? Oder war sie so verzweifelt und allein gewesen, dass sie sich nach seiner Aufmerksamkeit sehnte?
Wie dumm war sie gewesen, als sie zuließ, dass er sie auszog, ihre Haut küsste. Und dann, in dem Moment, als sie zwischen Versuchung und Angst schwankte, legte er ihr die Schlinge um den Hals. Erst da wurde ihr klar, wie tödlich seine Falle war.
Bitte, lieber Gott, hilf mir,
betete sie weinend. Der eiskalte Schnee stach mit harten Kristallen in ihren von Gänsehaut überzogenen Körper.
Er würde sie doch sicher nicht hier zurücklassen? Es war bestimmt nur eine Probe.
Diane hörte ihn ächzen, als er das Seil straff zog, und ihr Rücken wurde hart gegen die Rinde der Kiefer gepresst. Vor ihr lag eine schneebedeckte Wiese. Diane versuchte, die Schneeflocken aus ihren Wimpern zu blinzeln, und hoffte inständig, einen Ausweg aus dieser grauenhaften Eiseskälte zu entdecken.
»Lass mich gehen! Tu mir das nicht an! Bitte, bitte!«, weinte sie, doch die Worte klangen dumpf und tonlos, beinahe lallend. Und sie stießen auf taube Ohren.
Er hatte von Anfang an die Absicht gehabt, sie zu töten. Und sie hatte ihm geglaubt, als er sagte, er würde sie in Sicherheit bringen, sobald das Unwetter sich legte, in ein Krankenhaus, oder er würde ein Telefon suchen und den Notruf alarmieren. Oder …
Und du bist darauf reingefallen. Du Idiotin!
Sie fing wieder an zu weinen. Tränen strömten aus ihren Augen, trübten ihren Blick und liefen über ihre eiskalten Wangen. Ihr war so kalt wie noch nie in ihrem Leben. Ihre nackten Brustwarzen schmerzten, alle Wärme war aus ihrem Körper entwichen. Selbst das Blut rann träge und dick durch ihre Adern, ihre Füße wurden bereits taub. Erfrierungen. Unterkühlung. Tod durch Mutter Natur und eigene Dummheit.
Wenn Connor doch da wäre … er würde ihr helfen …
Connor, ach Liebster, … was habe ich getan?
Das Bewusstsein wollte ihr schwinden; sie bemühte sich darum, wach zu bleiben und einen letzten Blick in Connors schönes Gesicht zu werfen, doch ihre Gedanken vernebelten sich. Sie glaubte fast, Connor vor sich stehen zu sehen, der flüsterte, sie bekäme nur das, was sie verdiente … dann war da noch jemand … eine Frau … »Mom?«, sagte sie zu der Erscheinung, denn ihre Mutter war ja seit drei Jahren tot … aber …
Die Schwärze drohte erneut sie zu verschlingen, und sie nahm verschwommen ein Hämmern wahr. Als ob jemand an die Tür klopfte. »Ich geh schon, Mama«, sagte sie, doch keine Worte kamen über ihre Lippen, und sie hatte einen üblen Geschmack im Mund. »Ich geh schon …«
Pescoli streifte den Papierkram mit einem Blick und gähnte. Was hätte sie jetzt für einen Nikotinschub gegeben, der ihre Sinne schärfte.
Sheriff Grayson kam unflätig fluchend aus seinem Büro gestürmt.
Pescolis Rücken versteifte sich, ihr Magen krampfte sich zusammen. Es war Samstagnachmittag, der Himmel hatte in den letzten paar Stunden aufgeklart, und einige Detectives waren ins Büro gekommen, um Schriftkram nachzuholen oder ihre Aufzeichnungen durchzusehen. Sie warf den Stift auf den Schreibtisch und rückte mit ihrem Stuhl nach hinten. »Lass mich raten«, sagte sie. »Jemand hat eine weitere Leiche im Wald gefunden?«
»Ja«, antwortete Grayson. Sein Gesicht war starr vor mühsam unterdrückter Wut. Er war schon dabei, seine Jacke überzuziehen; im Schulterhalfter steckte seine Waffe. »Wir haben den Killer nicht rechtzeitig geschnappt.«
»Was?« Brewster, der das Gespräch durch die offene Tür zu seinem Büro mit angehört hatte, kam in den Flur, die Jacke in der Hand. »Ist das
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