Der Skorpion
glaube ich nicht. Sieht natürlich aus.« Das Schamhaar des Opfers war von dunklerem Blond, und ihre toten, blicklosen Augen waren strahlend blau. »Auch die Augenfarbe stimmt nicht. Und seht euch die Botschaft an.«
M ID T SK N Z
»Wenn unsere Theorie zutrifft, dann müsste die Botschaft Jillian Rivers’ Initialen enthalten. J und R kommen aber nicht vor. Stattdessen haben wir D und Z.« Alvarez schüttelte den Kopf. »Das haut nicht hin, es sei denn, er hat seine Vorgehensweise geändert.«
»Ausgeschlossen.« Chandler schüttelte den Kopf und betrachtete die Szene aus fünf Metern Entfernung. »Er spielt mit uns, klar, versucht aber, uns etwas mitzuteilen. Wir sollen herausfinden, was es ist, damit er seine Klugheit unter Beweis stellen kann.«
Alvarez sah zu, wie Mikhail, der Forensiker, mit einer Pinzette die Botschaft vom Baumstamm löste und sie behutsam in einen Plastikbeutel schob, um sie ihr dann auszuhändigen. »Wollen Sie sich das näher ansehen?«
»Danke.« Mit spitzen Fingern nahm sie den Beutel entgegen und trat einen Schritt von der gefrorenen Leiche zurück, dankbar für die Gelegenheit, der grausigen Szene den Rücken kehren zu können. Zwar hatte sie gelernt, ihre Gefühle zu verbergen, insbesondere in beruflichen Dingen, doch Selena Alvarez musste sie stets mühsam niederkämpfen, wenn es um Gewalttätigkeit ging. Besonders, wenn es sich um Verbrechen an Frauen handelte. Da hatte sie ihr Kreuz zu tragen, wie Großmutter Rosarita gesagt hätte.
Sie redete sich gern ein, diese Gefühlsaufwallungen würden ein Ansporn für die Überführung eines Psychopathen wie diesen sein, für einen Mann, der Mord als Spiel auffasste.
Und deshalb ging sie auch der Beschäftigung mit der Forensik aus dem Weg. Sosehr sie diese Wissenschaft zu schätzen wusste, konnte ihr Magen deren Ergebnisse doch nicht verkraften. Während die Kriminaltechniker ihrer Arbeit nachgingen, behutsam Plastikbeutel über die gefrorenen Hände des Opfers stülpten, den Körper untersuchten, die Kiefer und ihre nähere Umgebung eingehend in Augenschein nahmen, studierte Alvarez die dazugehörige Botschaft, entschlossen, den Fall von diesem Blickwinkel aus anzugehen. Sie hatte keine Ahnung, was hier ausgetüftelt, übersetzt oder dekodiert werden musste, aber sie würde es herausbekommen, so viel stand fest.
Es war wie die Suche nach einer Nadel im Heuhaufen.
Pescoli ließ stirnrunzelnd den Blick über die zerklüftete Landschaft rund um diesen jüngsten Tatort schweifen. Berge, Schluchten, zugefrorene Bäche, Serpentinen. Sie hatten das gesamte Gebiet nach Jillian Rivers abgesucht, aber ohne Erfolg. Jetzt begann die Suche nach dem Fahrzeug des neuen Opfers.
Wenn das Wetter sich hielt.
Die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen. Sie dachte an die topografischen Karten im Büro. Vielleicht sollte sie mit Hilfe eines Computerprogramms versuchen, potenzielle Tatorte zu bestimmen. In den Bergen hier gab es allerdings viele kleine Wiesen, und es würde eine Ewigkeit dauern, alle zu lokalisieren. Aber hatten sie denn eine Wahl?
»Immerhin wissen wir jetzt eins: Jillian Rivers ist nicht tot, es ist nicht so, dass wir sie nicht gefunden hätten. Die Botschaft enthält kein J und kein R. Sämtliche Initialen passen zu den aufgefundenen Opfern«, fasste Alvarez zusammen.
»Ja, aber das heißt nicht, dass sie außer Gefahr wäre. Vielleicht steht ihre Ermordung kurz bevor«, gab Pescoli zu bedenken. Alvarez trat näher an die Spuren heran. »Mag sein, aber er war in den letzten paar Stunden hier. Diese Spuren sind frisch, nicht zugeschneit, und das Wetter ist erst seit wenigen Stunden klar.«
»Kein großer Trost. Der Killer könnte sich in diesem Moment mit Jillian Rivers beschäftigen. Was wissen wir schon?«, sagte Pescoli.
Das Geräusch von Hubschrauberrotoren kam näher. Die staatliche Polizei war offenbar bereits gestartet, um die Gegend abzusuchen. Gut, dachte Pescoli, vielleicht können sie aus der Luft etwas entdecken, was wir am Boden nur bei gutem Wetter und mit sehr viel Glück finden würden.
»Was hat diese Botschaft nur zu bedeuten?« Pescoli sah ihrer Partnerin über die Schulter.
»Keine Ahnung, aber sie sieht so aus, als ob hier noch Buchstaben eingesetzt werden müssten.« Brewster betrachtete mit finsterem Blick die Blockbuchstaben und den Stern.
»Auf jeden Fall wird er nicht aufhören, solange sie nicht vollständig ist.« Stephanie Chandler umkreiste den Tatort. »Er kann nicht. Es ist sein
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