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Der Skorpion

Der Skorpion

Titel: Der Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
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dachte daran, wie seine Lippen ihre Wange gestreift hatten. Gut, er hatte sie geküsst. Na und? Gut, er war attraktiv. Wen interessierte das? Und er war geheimnisvoll. Eher ein Grund, schnell von hier wegzulaufen!
    Sie legte Holz aufs Feuer, horchte angestrengt und hoffte, das Dröhnen des Schneemobils zu hören, doch kein Geräusch durchbrach die Stille in der Hütte. Sie kramte in ihrer Tasche und machte sich an dem Handy zu schaffen, versuchte es in jedem Winkel der Hütte, doch jedes Mal, wenn sie schon glaubte, ein Signal zu empfangen, leuchtete auf dem Bildschirm »Kein Empfang« auf.
    »Toll«, sagte sie zu dem Hund, ging zum Fenster und wünschte sich, MacGregor würde zurückkommen. Noch immer war weder ein Sägegeräusch noch das Brummen des näher kommenden Schneemobils zu hören.
    Während sie aus dem Fenster sah, überlegte sie, wo genau sie sich befinden mochte. Auf dem Tisch lag ein Stapel Landkarten, sie sah sie durch und entschied sich für eine, auf der ihrer Meinung nach die Umgebung verzeichnet sein konnte.
    Sie sah Straßen und Flüsse und Städte, einschließlich Grizzly Falls und Spruce Creek, zwei Namen, die ihr bekannt vorkamen. Sie fand Missoula, starrte auf die Buchstaben und dachte an Mason, der sie ihrer Überzeugung nach nach Montana gelockt hatte.
    Aber ergab das einen Sinn? Warum sollte Mason sie nach Montana locken? Warum sollte er sie umbringen wollen?
    Natürlich hatte es einmal eine Lebensversicherung gegeben. Eine Police, die mehrere hunderttausend Dollar wert war, worauf Mason bestanden hatte, aber sie wusste nicht einmal genau, ob sie noch existierte.
    Und dann die Stimme am Telefon. War das Mason mit verstellter Stimme? Der flüsterte, damit sie ihn nicht erkannte? Und warum ausgerechnet jetzt?
    Soweit sie wusste, war er mit seiner neuen Vorzeigefrau glücklich verheiratet. Warum sollte er dann Aaron wieder hervorkramen? Er galt schon so lange als tot, dass Jillian kaum noch wusste, wie er aussah. Sie sah einen Stapel astrologischer Karten auf dem Tisch durch und stieß auf den Umschlag mit den Fotos, die angeblich ihren verstorbenen Mann zeigten. Sie hielt die Bilder ans Licht der Kerosinlaterne, betrachtete sie eingehend und versuchte, sich zu erinnern.
    War es wirklich Aaron?
    Vielleicht. Doch da waren der Bart und die Sonnenbrille und die tief in die Stirn gezogene Basecap, die sein Gesicht teilweise verdeckte. Und das Körpergewicht. Aaron war immer schlank und durchtrainiert gewesen.
    Und inzwischen waren zehn Jahre vergangen. Ein ganzes Jahrzehnt. Sie hatte wieder geheiratet und sich scheiden lassen. Und falls Aaron noch lebte, würde er in wenigen Monaten vierzig Jahre alt sein.
    »Wer bist du?«, flüsterte sie, und beim Klang ihrer Stimme erhob sich der Hund. Die Steuermarke klimperte an seinem Halsband. Er warf ihr einen Blick zu und trottete zur Haustür, kratzte daran und winselte.
    »Musst du raus?«, fragte sie mit einem Blick nach draußen. Und wo zum Kuckuck steckte MacGregor?
    Er ist weg. Kommt nicht zurück. Vielleicht hat ihn jemand, der Mann, den du draußen bemerkt zu haben glaubtest, überfallen.
    Das war lächerlich; sie ließ sich von ihrer Angst hinreißen. Harley winselte noch lauter. »Jaja, ich weiß. Immer langsam mit den jungen Pferden.« Jillian hinkte zum Gewehrschrank und kam sich doch ein wenig ungeschickt vor, als sie mit der freien Hand nach der geladenen Flinte griff. Die Vorstellung, die Waffe gebrauchen zu müssen, behagte ihr nicht, doch sie wusste, dass sie es im Fall einer Bedrohung konnte. Dafür hatte Grandpa Jim gesorgt.
    Sie pfiff nach dem Hund. »Komm, Harley, du kennst ja die Prozedur.« An der Krücke humpelte sie zur Hintertür und öffnete sie. Der Hund schoss nach draußen, bevor Jillian es sich anders überlegen und sich fragen konnte, ob es falsch war, ihn herauszulassen. Wenn der Hund nun MacGregor nachlief? Oder sich verirrte.
    Er ist doch ein Hund. Er ist hier zu Hause. Er bleibt nicht lange draußen in der Kälte.
    Er muss nur kurz raus, sich ein bisschen bewegen, ein paar Mal pinkeln.
    »Bitte lauf nicht weg«, flüsterte sie und sah zu, wie der Hund am Stamm eines kleinen Baums hinter der Garage sein Bein hob. Er trabte durch den brusthohen Schnee; es schien ihm Spaß zu machen, eine Spur durch das eisige Pulver zu ziehen.
    Jillian stand an der Tür, spürte die Kälte und fröstelte. Sie wollte gerade zurück in die Hütte gehen, als sie sah, wie Harley mitten auf der Lichtung hinter der Hütte plötzlich stehen

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