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Der Skorpion

Der Skorpion

Titel: Der Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
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Peiniger zurückkam. Stattdessen stürmte Zane MacGregor durch den Wald auf sie zu.
    Ihr Herz jubelte bei seinem Anblick. Er trug nur Jeans und Pullover. In einer Hand hielt er ein Gewehr und hastete, ohne zu stocken, über die Lichtung zu dem einzelnen Baum, an den sie gefesselt war.
    »Jillian!« Im nächsten Moment war er bei ihr.
    Ihre Stimme versagte, Tränen strömten aus ihren Augen.
    »Was ist passiert?«, fragte er, zückte ein Taschenmesser und säbelte das dicke Seil durch. »Wer hat das getan?«
    »Ich weiß es nicht. Ich habe ihn nicht gesehen.«
    »So ein perverses Schwein«, knurrte er. Ein Muskel zuckte in seiner Wange. Das Seil, das ihre Schultern fixierte, fiel herab, und Jillian ließ sich gegen MacGregor sinken, während er ihre Handfesseln zerschnitt. »Ist alles in Ordnung?«
    »Ja-aa-a.«
    Er musterte sie mit einem leidenschaftlich bewegten Blick, der ihr Inneres erbeben ließ. Dann durchtrennte er das Seil, das ihre Hüften an den Baumstamm zwang, zog seinen Pullover aus und streifte ihn ihr über den Kopf. Ihre Arme verschwanden in den Ärmeln, der Saum reichte bis knapp unter ihr Gesäß. »Ich hol dich hier raus.«
    Tränen der Erleichterung drängten sich ihr in die Augen, doch sie räusperte sich und verweigerte sich hartnäckig ein Schluchzen. »Wie?«
    »Ich trage dich.«
    »O nein, du kannst doch nicht …«
    »Wart’s ab.« Mit einem Arm hob Zane MacGregor sie auf, und sie schnappte nach Luft, als der Schmerz durch ihre Rippen fuhr.
    »Entschuldige«, sagte er. »Ich wollte dir nicht …«
    Sie küsste ihn. Ohne zu zögern. Jillian presste ihre kältestarren Lippen auf seinen Mund und schlang ihm die Arme um den Nacken. Seine Lippen waren warm und hart, seine Arme hielten sie noch fester, während er den Kuss erwiderte.
    Es tat so gut, sich gehenzulassen und ihn zu küssen. Trotz ihres geschundenen Körpers, des überstandenen Grauens, des qualvollen Nahtod-Erlebnisses genoss sie seine Berührung, das Gefühl, am Leben zu sein.
    Seine Finger waren stark und geschmeidig, ihre Wärme durchdrang den zu großen Pullover, und vor ihrem inneren Auge sah Jillian, wie sie mit ihm schlief. Bald. Sie würde auf seinem Bett liegen, im Kamin würde das Feuer knistern, Verlangen und Sehnsucht würden ihr Blut in Wallung bringen. Sie stellte sich vor, wie er zu ihr kam, straffe Haut über festen Muskeln, Pupillen in der Dunkelheit geweitet, während er sie mit Händen und Mund beglückte und sie liebte.
    Selbst in diesem Augenblick spürte sie es – das Bedürfnis nach Nähe, den Wunsch, sich völlig an diesen Mann zu verlieren, an diesen Fremden, der sie zweimal gerettet hatte.
    Sie stöhnte leise, als sich seine Zunge zwischen ihre Zähne schob. Ihre Finger woben sich in sein Haar, während sie sein Gesicht mit den Händen umfasste und zu sich heranzog, den Mund für ihn öffnete und am ganzen Körper mehr vor Verlangen als vor Kälte zitterte. Sie waren allein im Wald, nur die schneebedeckten Kiefern und Tannen standen Wache.
    So verrückt es war, so kalt ihr auch war, sosehr sie sich fürchtete, sie wollte ihn. Er rückte leicht von ihr ab und beendete den Kuss. »Ich muss dich in ein Krankenhaus bringen«, sagte er mit heiserer Stimme.
    »MacGregor, ich …«
    »Schsch.«
    Jillian klammerte sich an ihn, barg ihr Gesicht an seinem Hals und glaubte zum ersten Mal, seit sie nackt und an den Baum gefesselt zu sich gekommen war, dass sie vielleicht tatsächlich am Leben bleiben würde.
    Und dann fiel es ihr wieder ein. Der Hund!
    »Harley!«, flüsterte sie, und es brach ihr fast das Herz, als sie vor ihrem inneren Auge den Spaniel im Schnee liegen sah, das gescheckte Fell von Blut verkrustet. »Er …«
    »Ich weiß«, sagte MacGregor rasch, und seine Lippen bildeten eine harte Linie. »Ich habe ihn gefunden.«
    Ihr traten Tränen in die Augen. »Ist er …?«
    »Er lebt noch. Zumindest vor einer halben Stunde lebte er noch.« Er blickte sich noch einmal nach dem Baum um und wies mit einer Kopfbewegung auf etwas in die Rinde Geritztes. Es war kleiner als eine Männerhand und befand sich etwa einen Meter achtzig über dem Erdboden. Offenbar war es über ihrem Kopf eingeritzt worden.
    »Was ist das?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Ein Stern?« Er zog die Brauen zusammen, Sorge verschattete seine Augen. Irgendwo im Wald stieß eine Eule ihr einsames Heulen aus. Immer noch an MacGregor geklammert, spürte Jillian einen leisen Windhauch im Nacken. »Warum schnitzt jemand einen Stern oder sonst ein

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